Manic Street Preachers

Know Your Enemy

Columbia/Sony (VÖ: 16.9.)

Die Glam-Rocker räumen ihr chaotisches sechstes Album auf – so gut das eben geht.

Es hätte das „Weiße Album“ der Waliser werden können. Ein epochales Werk auf zwei Platten. Eine stilistische Explosion. Der Triumph nach dem Triumph. Aber es kam anders. THIS IS MY TRUTH TELL ME YOURS war zwei Jahre zuvor zum erfolgreichsten Album der Band geworden. Balladesk und melancholisch entsprach es dem Zeitgeist im ausklingenden Britpop-Jahrzehnt. Das war den Manics gar nicht recht. Sie wollten ja stets Punk und Glam sein, Kommerz und Kunst. Eine Band mit einem derart schizophrenen Selbstverständnis muss ständig auf der Flucht vor sich selbst bleiben.

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Also ein U-Turn: Die Single „The Masses Against The Classes“ surfte 2000 auf der Kreissäge an die Spitze der UK-Charts. Als Nächstes wollten sie mit zwei Platten allen alles beweisen: Dass sie immer noch räudige Hunde sein konnten (SOLIDARITY), dass aber auch ihre nachdenkliche Seite gekommen war, um zu bleiben (DOOR TO THE RIVER). Bei der Arbeit verschmolzen beide Welten zu einer. Das Ergebnis hieß KNOW YOUR ENEMY und war alles auf einmal: Beach Boys, New Wave, Disco, Picasso, Punk und Politik. Es war schwer, den roten Faden zu erkennen, die krachige Produktion hielt das Herz zusätzlich auf Abstand.

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Einige dieser Mängel behebt 21 Jahre später die Neuauflage: Die Songs wurden neu gemischt, das Chaos auf zwei Platten in die Pole „laut“ und „leise“ aufgedröselt, so wie einst geplant. Ein paar übrig gebliebene Songs runden das Bild ab. So funkeln einige Diamanten heller als bisher: „The Year Of Purification“ und „Intravenous Agnostic“ bekommen als jeweilige Opener die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. „Found That Soul“ klingt aufgeräumter und knallt noch mehr. „Ocean Spray“ zählt ohnehin zu den großen Singles der Band, was man vom überladenen „So Why So Sad“ nicht behaupten kann. Da hilft kein Produktions-Kniff mehr. Schmarrn bleibt Schmarrn – und der hält sich hier mit den gelungenen Songs die Waage. Manche würden sagen: wie beim „Weißen Album“.

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