Missy Elliott – Da Real World :: Voll fett

Wahrscheinlich ist es unangemessen und bestimmt nicht besonders feinsinnig. Aber zu sehen, wie sich Missy Elliott zu ihrer eigenen Musik bewegt, ist nicht nur ein großer Spaß, sondern erklärt auch einiges. Es ist pure körperliche Freude, eine Kombination aus ruckartigen und fließenden Bewegungen, die Hüfte kreist zum Bass, Arme, Hände und Kopf zucken zum rhythmischen Geknatter. Cut möglich, daß sie und ihr produzierender Partner Timbaland viel Zeit in den modernen Organverdreher-Fahrbetrieben der Erlebnisparks verbringen. Anders gesagt: der Polyrhythmus, der hochdynamische Sound, der gebrochene Croove, der seit SUPA DUPA FLY die HipHop-Welt dominiert, ist keinesfalls geglättet. Ganz im Gegenteil. Schon die ersten beiden Stücke von DA REAL WORLD, die Single „She’s A Bitch“ und noch mehr das folgende „Beatbiters“ können nur als Gewitter metaphorisiert werden. Von der Orchesterpauke bis zum Rimshot hat Timbaland alles eingesetzt, was dieser Globus an perkussiven Sounds zu bieten hat. Off- und Breakbeat, Wucht und Pause gehen Hand in Hand. Diese Musik ist ein Widerspruch in sich: sie ist satt, um nicht zu sagen feist, dabei aber so transparent, daß die Klangfülle nie zuviel wird. Wie ein kalorienreiches Essen ohne begleitendes oder nachfolgendes Völlegefühl. Utopie? Nein, DA REAL WORLD. Daß Missys Songwriting in diesem Produktionskorsett nicht untergeht, zeigt, wie gut die kreative Einheit mittlerweile funktioniert – so gut, daß alle dazukommenden Menschen beinahe stören, die Stücke ohne Gäste die Besten unter den Guten sind. Viele Namen gaben sich das Mikro in die Hand: natürlich die befreundeten Aaliyah, Lil‘ Kim, Da Brat und der künstlerische Zwilling Busta Rhymes, aber auch eine unzusammenhängende Riege von HipHop-Stars wie Outkast, Redman und „Funky White Boy“ Eminem. Mit und neben all diesen Stimmen verhandelt die liebenswerte Geschäftsfrau ihre aktualisierte Definition von Feminismus zwischen Privatleben und Öffentlichkeitsanspruch, Affirmation und Aneignung, eine soziale Analogie zu ihrem geschäftlichen Vorgehen. „She’s a Bitch“, was zunächst auch der Name des Album sein sollte, ist ein solcher Fall, der Versuch einen aggressiven Sprechakt nicht nur zu entschärfen, sondern zu einem Synonym für Eigenständigkeit und Stärke umzudefinieren. Ein schwieriges Unterfangen. Aber wer sonst sollte das schaffen, wenn nicht sie.

Eric Benet – A Day In The Life (WEA 9362.47370.2)

Schon mit seinem ’96er Debüt TRUE TO MYSELF konnte sich der stark von Stevie Wonder geprägte Benet als reifer Soul-Sänger behaupten. Mit seinem Nachfolge-Album geht er kein Risiko ein: Die erstklassig arrangierten Songs zeigen erneut, daß schwarzer R & B alles andere als tot ist und lediglich viele seiner Konkurrenten an Ideen und eine eigene Note überzeugt. Brav dem erfolgversprechenden Trend folgend, Seventies-Hits soulgetränkt neu aufzumotzen, hat auch er einige verstaubte Kandidaten aus der Mottenkiste gezogen. Ob Kalkül oder nicht: Die Versionen des Toto-Songs „Georgy Porgy“ und die des Kansas-Gassenhauers „Dust In The Wind“ erfreuen dank pfiffiger Beatbox-Programmierung und Benets beseelter Stimme das Oldie-Herz. Eric war trotzdem klug genug, mit einigen Gaststimmen für zusätzliche Abwechslung zu sorgen: Neben Faith Evans macht vor allem der Auftritt von Me’Shell NdegéOcello Laune, die den Track „Ghetto Girl“ tief in den Funk tunkt. Die Fugees sollten sich warm anziehen.