Mogwai – Happy Songs For Happy People
„Fröhliche Lieder“ für fröhliche Leute? Naja, so fröhlich man eben sein kann, wenn man mit der Schlinge um den Hals auf den Hocker steigt. „Traurige Lieder für Lebensmüde“ wäre jedenfalls ein treffenderer Titel für dieses vierte Album von Mogwai gewesen. Hier regiert, wie auf den drei früheren weitgehend instrumentalen Platten der vier Schotten auch, Schwermut, Moll, und ein Lob der Langsamkeit. Das eigentliche Moment ihrer Musik ist ihre eigentümliche Schubkraft, nicht abrupt wie ein startender Düsenjäger, sondern unspektakulär und unerbittlich wie ein ICE – wir spüren das Momentum. nicht die Geschwindigkeit der Tonnenlasten. Konnte man beim allzu verträumten Vorgänger rock action noch während der Fahrt die Blümchen neben den Gleisen pflücken, heißt es hier: Vorsicht, Türen schließen selbsttätig. Dabei geht die Fahrt, anders als bei dem Debüt young team (1997], nicht nur durch karges Geröll, sondern kreuzt auch lieblichere Gefilde. Piano, Cello und Glockenspiel mildern die Wucht der Gitarren und die stoische Dynamik der einzelnen Songs mit so schönen Namen wie „Hunted By A Freak“, „Kids Will Be Skeletons“ und „Boring Machines Disturb Sleep“. Ihr zweites Album hieß come on die voung, gerne gingen Mogwai mit bedruckten T-Shirts auf die Bühne: „Blur sind scheiße“. Mogwai, das ist purer Punk-Gestus aber ohne die Scheißmusik, die eigentlich zur Leck-mich-Haltung gehört. Groß, nicht artig. Überhaupt gibt es in den Winkeln und retardierenden Passagen dieser Musik viele Details zu entdecken – fernes Kindergeschrei, das sich als vorsichtiges Kitzeln einer elektrischen Saite entpuppt. Für ein kleines produktionstechnisches Wunder musste man diesen erstaunlich ausgeglichenen Sound halten, hätte man sein herzkasperndes Schockpotential nicht schon live erlebt. Auf happy songs for happy people gehen Stuart Braithwait & Co. reifer, organischer zu Werke. Die Methode, Akkord auf Akkord zu majestätischen Gebirgen aufzuschichten, ist die gleiche geblieben. Was mal originell war, erfährt hier seine Verfeinerung: Ein Motiv führt sich ein, so zart, als wäre es von einem melancholischen Erik Satie frühmorgens aufs Klavier getupft – und endet wie ein Riff von Motörhead auf Tranquilizern und unter Wasser, in einer Gischt aus Gitarren. Zu amorph sind diese Melodien, als dass man sich an ihnen festhalten könnte – der Reiz liegt im Wechsel aus kalkuliertem Crescendo und demütigem Decrescendo. Dass dergleichen nicht ohne Klischees abgeht, versteht sich von selbst: So reiten Mogwai gerne wie delirierende Black Sabbath auf diesen besonders pikanten Stellen eines jeden guten Rockgitarrensolos herum, wo Gitarristen gerne die dicken Backen einsaugen und das Instrument auf der Höhe ihres „Instruments“ spielen. So bildmächtig und eindrucksvoll ist dieses Spielen, dass sich zwischendurch die Frage aufdrängt, ob der Film „Zabriskie Point“ nicht endlich neu vertont werden müsste. Und am Ende der erfreulich knappen 40 Minuten ertappt sich der Hörer bei einem seligen Grinsen: happy songs for happy people also, irgendwie doch.
Mehr News und Stories