Peter Doherty

Hamburg Demonstrations

Das einstige Enfant terrible kehrt mit einem grundsoliden Songwriter-Album als Solomusiker zurück.

Es soll ja Hörer geben, denen der Solist Peter Doherty mehr zusagt als der Libertines­-oder Babyshambles­-Doherty. Angesichts der Unmittelbarkeit seiner Solo­konzerte oder der unzähligen Solo-­Bootlegs im Netz wäre das gar nicht mal so abwegig. Und wer weiß, vielleicht gehört ja auch Bent Angelo Jensen, Chef des Modelabels „Herr von Eden“, zu diesen Hörern. Jensen nämlich habe man es im Endeffekt zu verdan­ken, dass nach sieben Jahren wieder ein Album des Solomusikers Peter Doherty veröffentlicht wird, wie Letzterer im Interview mit BBC 6 erzählte.

Die Ge­schichte, die dort umrissen wird, beginnt im Januar 2014. Doherty, nach längerer Tour mit den Baby­shambles ohne Plan und Wohnsitz, bekommt nach einem Konzert im Hamburger „Docks“ eine Anfrage von Jensen, der ihn neu einkleiden möchte. Man trifft sich also und streift durch St. Pauli. Jensen erzählt von einem Produzenten namens Johann Scheerer, der im Stadtteil Rothenburgsort ein Studio mit integ­rierter Wohnung betreibt. Zwei Monate später zieht Doherty tatsächlich dort ein. Wenn es ihn packt, geht er die Treppe hoch, um neue Ideen und ältere Songs auf einem Acht­-Spur­-Gerät aufzunehmen, vertrag­lich fixiert man erst mal nichts. Gut drei Monate geht das so.

Ein Album, auf dem bald klar wird, dass der Solo­-Doherty von 2016 immer noch der Doherty von GRACE/WASTE­ LANDS ist

Als er 2016 schließlich ins Clouds-­Hill­-Studio zurückkehrt, hat er eine Libertines­-Reunion­-Tour und einen erfolgreichen Entzug in Thailand hinter sich, gefolgt von einem in Thailand aufgenommenen Album und einer weiteren Tour. Erfreut stellt er fest, dass Scheerer und Co. derweil zehn seiner Demos per „Bass, Banjo and God knows what“ in ein so gut wie fertiges Studioalbum verwandelt haben. Ein Album, auf dem bald klar wird, dass der Solo­-Doherty von 2016 immer noch der Doherty von GRACE/WASTE­ LANDS ist. Ein Romantiker, ein belesener Dandy
 also, der einen Song wie „A Spy In The House Of Love“ auch mal plakativ mit dem Tippen einer Schreibma­schine einleitet und den beschwingten Opener seines Albums, „Kolly Kibber“ (mit Boy als Background­-Sängerinnen), nach einer Figur aus Graham Greenes Roman „Brighton Rock“ benennt.

Auch musikalisch ist Doherty hier in ähnlichem Fahrwasser unterwegs, wenngleich die Arrangements, die Scheerer um seine Demos gebaut hat, noch eine Spur variabler ausfal­len als jene von 2009. Ältere, aus dem Netz bekannte Songs wie „Birdcage“ und „Down For The Outing“ erhalten so einen rockigeren, respektive nuancierte­ren Anstrich, während ein Stück wie „Hell To Pay At Gates Of Heaven“, mit dem Doherty auf die Attentate in Paris Bezug nimmt, als bissig­besoffener Honky­ Tonk daherkommt. Keine Frage, egal ob nun im Fall der bittersüßen Amy-­Winehouse-­Hommage „Flags 
Of The Old Regime“, des steinalten Banjo­-Schunklers „The Whole World Is Our Playground“ oder einem in ungemein vielschichtigem Song wie „Oily Boker“ – hier wurde großartige Studioarbeit geleistet.