Phillip Boa & The Voodooclub :: Copperfield Hair Hispanola Polydor/Universal

Als die Polydor im Oktober 1987 eine erste Maxi von Phillip Boa mit dem Titel „Kill You Idols“ (sic!) veröffentlichte, hatte Deutschland endlich seinen eigenen Indierockstar und Indierockdeutschland seinen ersten prominenten Verräter. Denn der Dortmunder war „zur Industrie gegangen, und das war damals in einer noch klar strukturierten Labellandschaft nicht weniger als ein Wechsel auf die dunkle Seite der Macht. Immerhin: Boa verfügte wenigstens über ausreichend Mut. Narzissmus und Größenwahn, um diesen Schritt zu gehen. Copperfield 3,5 , das erste Polydor-Album, machte die eigenen Ansprüche überdeutlich: Boa wollte Pop, wollte Hymne, wollte Riff und Pogo. Aber Pogo mit Anspruch, Pop mit Brüchen, Hymne von dramatischer Gestalt. Und so wurde Copperfield zu einem unterhaltsamen Dokument der Zerrissenheit und des Wucherwuchses. Boa und sein Club arbeiteten laufend abenteuerliche Samples ein, die „Voodoodrums“ polterten fast pausenlos, Muse Pia Lund krähte so charmant naiv wie windschief hintendrein. Auf Copperfield stehen kaum angejahrte Trashpopknallerwie „LunaticsOver Brighton“, besagtes „Idols“ und ein bittersüßer, von Boas hölzerner Vokalperformance nicht unterzukriegender Popmarsch wie“.Andy W.‘ neben hübsch arrangierten Nichtigkeiten wie „Scotland Yard und misslungenen Avantgarderock-Versuchen wie „Revolution, Bebe“. Mit dem 1989 erscheinenden hair 4 , einer überlegter arrangierten, besser (u.a. von Tony Visconti) produzierten, zuweilen recht melancholischen Pop-Platte machten Boa und Band merklich Fortschritte. Und mit dem Ohrwurm „Container Love läuteten sie die Voodooclub-Tradition vorab veröffentlichter Mitsingsingles ein. Mit dem leicht parodistischen Metalungetüm „Albert Is A Headbanger und dem elegant swingenden „Fine Art In Silver“ enthält hair darüber hinaus zwei Boa-Liveklassiker. Die Popnaivität von „Happy Spider“ und „They Say Hurray“ zaubert einem immer noch ein dummes Grinsen ins Gesicht, während das Urteil zu E-Musikunternehmungen wie „Tragic Mastey Of Stock Hausen“ und „Boleria auch heute noch eindeutig ausfällt: ganz großer Käse. An solchem Unsinn mangelte es 1990 auch hispanola 3,5 nicht, einem leichteren, verspielten, zuweilen folkloristischen Album: Sei es der nervenzersetzende Singsang des hippiesk-entrückten „Jules Verne , die teutonische Mix-Collage „König Hedon‘ oder das alberne „Eva In The Froggarden – Boa experimentierte weiter schmerzfrei drauflos. Mit dem Indiediscoschlager „This Is Michael“, forschen Kunstpopfolkern wie „They Paint The Silence“ und dem so straighten wie synthetischen Ohrwurm „The Day I Lost My Sleep“,der den Sound von boaphenia I1993] vorwegnahm, fehlte es allerdings auch hispanola nicht an Indiehits. Die reichlich auf den wiederveröffentlichten CDs versammelten B-Seiten und Demos zeigen, dass die Abenteuerlust Boas gar über das auf den LPs Gebotene hinausreichte. Alternative Mixe und obligatorische Remixe bieten hingegen nur ein quantitatives Mehr. Ja und will man Phillip Boa wirklich I’m Waiting For My Man singen hören?! Nein, will man nicht. VÖ: 1.9.

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