Pole – CD 1

So sieht minimale Musik aus: ein monochromes Cover mit gleichfarbigem Druck aller Informationen, auch Künstler und Titel, die also nur durch Erfühlen oder seitlichen Lichteinfall zu entziffern sind. Und so heißt minimale Musik: Tanzen, Lachen, Fliegen, Fremd, Berlin, zusammengefasst CD 1 bzw. LP 1. Wer nun folgerichtig auch in der Musik totale konzeptuelle Strenge und körperlose Kopflastigkeit vermutet, hat recht und wird dennoch überrascht. Denn Stefan Betke, der sein Brot in einem Berliner Studio für Mastering und Dubplates verdient, ist nicht nur Technik-verliebt, er ist auch gefühlig. Deswegen ist seine Kunst zwar, wie es für einen von Musik überschwemmten, dabei von Präzision bestimmter Klang-Analytiker nicht weiter verwunderlich ist, extrem reduziert, dabei aber keineswegs kalt und digital, sondern ganz das Gegenteil. Hauptgrund dafür ist Betkes Fetisch, perverserweise genau jenes Geräusch, das in der Tontechnikerwelt eigentlich nicht vorkommen dürfte, das Knacken und Knistern zwischen Nadel und Vinyl, jahrzehntelanges Grauen jedes HiFi-Freaks. Da die Zeiten des Vinyls aber nunmal unwiderruflich außer für DJs und Sammler- vorbei sind, hat sich die Einstellung zu solch lebendigen Geräuschen komplett verändert und aus einer lästigen Störung wurde in unserer klinisch-digitalen Welt eine bewußt herbeigeführte sentimentale Erinnerung. Da nun aus ähnlichen Gründen auch „Musique Concrete“,die Idee von Geräuschen als Musik in der Tanzkultur weitgehend etabliert ist, dürfte Stefan Betkes Knister-Groove auch nicht nur in abseitigen Clubs Verwendung finden. Denn die Basis dafür sind mächtige Bässe und präzise modulierte Beats, zusammengeführt in einen Art Detroit-Dub, spartanisch aber warm, karg aber gemütlich. Denn nicht nur Platten, auch Kamine knacken und knistern.