R.E.M.

Automatic For The People – 25th Anniversary Edition

Parlophone/Warner

Ein Schritt zurück – und gleich zwei nach vorn. Auf diesem Album vermieden R.E.M. Wiederholungen und schöpften doch aus ihrer eigenen Vergangenheit. Das Ergebnis: fein ausgearbeiteter Großfolk.

Erinnern Sie sich, wie Sie diese Platte zum ersten Mal gehört haben? Oder besser: Erinnern Sie sich, wie zum ersten Mal die vorab ausgekoppelte Single „Drive“ in Ihrem Radio lief? Wie Michael ­Stipe fragte: „What if you rock around the clock?“, und wie im Hintergrund ein Berg aus Musik wuchs, aufgeschichtet auf diesen paar Akkorden von der Akustischen, wie der Rock aus dieser Textzeile von der vagen Idee zu einem tatsächlichen Möglich­keitenraum wurde?

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Der Autor erinnert sich gut daran und weiß, dass es nach OUT OF TIME mit Singles wie „Radio Song“ und vor allem „Shiny Happy People“ eine – ja, zunächst eine Enttäuschung war: R.E.M., als Teenager verstand man das noch nicht, hatten nach ihrer bisher erfolgreichsten Platte einfach keine Lust, sich in nor­male Pop-Abläufe, -Erwartungen und -Choreo­grafien einzuordnen.

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Vor allem hatte Stipe 1992 offenbar das Gefühl, etwas zurechtrücken zu müssen. Die Rolle des MTV-erprobten Peer-Group-Influencers, vielleicht – Achtung, ungeheuerlicher Verdacht! – wirklich happy und mit viel Consciousness, aber auch mit Zuneigung zu den anderen gesegnet (KRS-One! Die B-52’s!), betonter zu negieren. Stattdessen nahm er mit seinen Kollegen also eine Platte auf, die sich die Ruhe zurückholte, die die Band auch immer ausgemacht hatte.

Diese abgedunkelte Südstaatenruhe, die die unmittelbar bevorstehende Erlösung eines Gewitters in sich trägt, von dem man weiß, dass es nach vier Tagen erschöpfenden Schwülwetters ausbrechen wird. Eine demütige Ruhe, die schon allein wegen Michael Stipes gewitzter Textgewinde immer nur eine trügerische war, was bei zwei Songs am deutlichsten erkennbar wird. Einmal bei „Man On The Moon“, vielleicht einem der cleversten Texte, die Stipe jemals geschrieben hat.

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Nicht ganz klar, ob das ein bildgewaltiges Selbstgespräch ist oder doch eine mit profundem Hintergrundwissen ausgestattete Grußadresse an den 1984 womöglich verstorbenen Komiker Andy Kaufman. Klar ist hingegen: So smart gereimt, inhaltlich wie formal, hatte Stipe zuletzt 1987.

Der zweite Song, der nähere Betrachtung verdient, ist „The Sidewinder ­Sleeps Tonite“, in den Folgejahren nicht unbedingt einer der Lieblinge der Band, aber tatsächlich mit seinen quirky Pop-Referenzen eine nötige Auflockerung des so schweren Albums, in dem ­Stipe von Theodor Seuss und dessen „Cat In The Hat“, von einem Münztelefon mit Kratzern rund um den Einwurfschlitz und von prekären Lebensumständen verbunden mit entsprechender Mangelernährung erzählt.

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Wobei: Erzählt Stipe im Sinne von Erzählung als Geschichte? Oder doch eine eigene, die nur er versteht? Das ist der größte Streitpunkt in der R.E.M.-Rezeption, aber eben auch ein wunderbarer, das zeigen die vielen Versuche auf den einschlägigen Internetplattformen, seine Texte zu interpretieren. Dieser Irrtum verhinderte nicht, dass die Platte ein riesiger Erfolg wurde: 18 ­Millionen Mal hat sie sich bis heute verkauft.

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Eigentlich, und damit kommen wir zu dieser 25th Anniversary Edition des Albums, waren es ja immer die Songs, die zuerst da waren, die ­­Stipe mit (fast) allen ihren Verästelungen vorgelegt wurden. Wie schon bei OUT OF TIME finden sich diese oft instrumentalen Tracks auf einer Bonus-CD, und es ist interessant zu sehen – etwa auf dem hervorragend gemurmelten „Man On The Moon“-Moodboard „C To D Slide 13“ –, wie ausgearbeitet sie wirken, wie sehr sie schon die Stimmungen transportieren, die ­Stipe später mit seinen Lyrics noch einmal präzisierte.

Dazu kommt eine dritte CD mit einem karriereumspannenden Live-Auftritt vom 19. November 1992, der teilweise schon für B‑Seiten ausgewertet wurde (und sich auch auf der 2‑CD-­Version der Reissue findet) sowie eine Blu-ray-Disc mit den Musik­videos und einem neuen Dolby-Atmos-Mix.

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