Rock-Spezialitäten
Neuheiten gleich im Paket kommen zum Sommer von San Franciscos Ralph-Label: The Residents starten mit einer neuen LP, die an den Geist ihres legendären THIRD REICH ‚NT ROLL-Albums anschließt und mit der MOLE-Trilogie nichts zu tun hat. Vielmehr bildet GEORGE & JAMES den Auftakt der „American Composer Series“, die bis zum Jahre 2001 20 amerikanische Komponisten vorstellen soll. George Gershwin und James Brown werden zum Beginn auf je einer Seite vorgestellt, analysiert und minimalistisch aufgearbeitet, wobei der Aufbau der Kompositionen verblüffend genau offengelegt wird. Ein Hörerlebnis mit Augenzwinkern, die James Brown-Seite ist auch als Party-Knüller geeignet (5). Das beste Brown-Cover haben sich die Residents allerdings für eine limitierte Single aufgespart: „It’s A Man’s World“ ist ein kleines Meisterwerk für sich. (6) Ebenfalls neu bei Ralph LPs von Nash The Slash, einem maskierten Multi-Instrumentalisten (THE MIL-LION YEAR PICNIC, 3) und der Formation Rhythm & Noise, deren Name programmatisch zu verstehen ist. Dementsprechend empfiehlt das Duo, seine LP CON-TENTS UNDER NOTICE unter „Sound Effekte“ einzuordnen (4). (Die Ralph-Platten gibt es u.a. bei Wishbone, Gräfin-Imma-Str. 48, 4630 Bochum 1 oder Rough Trade.) Gleiche Bezugsadresse bei den Debüt-LPs zweier Bands, die den neuen Trend aus dem US-Underground vorstellen: Country Punk ist die Devise bei Blood On The Saddle, die schmachtende Cowboy-Melodien im Höllentempo zelebrieren. Trotz der kurzen Spieldauer eine Knüller-LP (5).
Tex & The Horseheads bevorzugen leicht gedrosselte Tempi, die der Sängerin Texacala Jones Spielraum geben – ihr Äußeres läßt Siouxie wie eine Flughafenhosteß aussehen, doch ihre tiefe Alt-Röhre könnte auch für 70er-Rock-Fans eine Entdeckung sein (5).
The Dream Syndicate präsentieren sich auf der neuen LP MEDI-CINE SHOW (A&M) mit dem neuen Bassisten Dave Provost. der Kendra Smith ersetzt. Produziert hat Sandy Pearlman (Blue Öyster Cult) – und herausgekommen ist eine ansprechende US-Rock-LP, die von Steve Wynns guten Songs und Karl Precodas Lead-Gitarre lebt (4).
Für Interessenten der neuen Psychedelia-Welle erscheint jetzt der Sampler BATTLE OF THE GARA-GES – VOL. II, der 16 Bands dieser Richtung, darunter Plasticland und True West vorstellt (US-Import über Rough Trade, 5).
Mehr 60s-Garagen-Sound, alles Singles aus England: Folk Devils im Dylan-goes-Electric-Sound auf „Hank Turns Blue“; Brilliant Corners mit „Big Hip“ im Eisenbahn-Rhythmus; The Sid Presley Experience mit dem krachenden Gitarren-Instrumental „Public Enemy No. 1“ (alle RT-Vertrieb, alle 5).
Neue Maxis: Public Image Ltd. kommen vor der neuen LP mit einer erneuten Version von „Bad Life“, diesmal im New Order-Stil. For commercial use only. (Virgin, 2). The Smiths dagegen haben immer noch gute Songs: „Heaven Knows l’m Miserable Now“ ist wieder der erwartete Ohrwurm. Schön das Cover mit Viv Nichoison (Rough Trade, 5).
Daß man aus einem alten Konzept noch gute Singles machen kann, zeigt die neue Scritti Politti: Greens keimfrei-intellektuelle Soul-Version hat auf „Absolute“ trotz neuer Band nichts verloren und könnte noch Fans hinzugewinnen (Virgin, 4).
Bourgie Bourgie sind gute Freunde von Orange Juice, und so klingt „Careless“ auch ebenso softpoppig. Die sehr gute B-Seite könnte von Julian Cope stammen (MCA, 5).
Ein überlanges, leicht überproduziertes Helden-Epos finden wir auf Siouxsie & The Banshees‘ neuer Maxi „Dazzle“: viel und zugegeben guter Sound, doch wenig Ideen (Polydor Import, 3). Marc Almonds erste Maxi unter eigenem Namen ist eine überraschend relaxte, melodiöse Pop-Nummer mit 60s-Anklängen, die jeder Sott Cell-Fan besitzen muß: „The Boy Who Came Back“ in der Qualität eines Dauer-Kreativen (Phonogram, 5).
Vor etwa fünf Jahren tauchte in London eine wasserstoffblonde Schwedin auf und brachte eine Single, die noch heute Kult-Status besitzt: die Rede ist von Virna Lindt und „Attention Stockholm“, das nun, fünf Jahre später, auf Virnas erster LP SHIVER enthalten ist. Eine Pop-LP, die ohne viel Füllmaterial auskommt und durchweg gut zu hören ist. Die Wartezeit hat sich in jedem Fall gelohnt (Compact, RT-Vertr., 5).
Deutscher Pop, diese zarte Pflanze, wird momentan von einer Band namens Die Ärzte gepflegt. Ihre erste Single „Grace Kelly“ war genial, die neue Mini-LP UNS GEHT’S GUT bringt fünf fröhliche 2Vi-Minüter zum Mitmachen. Den drei Berlinern sei hiermit eine größere Zukunft prophezeiht (EfA-Vertrieb, 4).
Spezialität des Monats diesmal aus Hamburg, genauer zum Klein-Label Weird System, Lange Reihe 101, 2000 Hamburg 1. Mehr oder weniger harte Punk-Rock-Bands aus aller Welt, also auch Spanien, Italien, Finnland, Südafrika, Brasilien (!) sind hier auf dem Sampler LIFE IS A JOKE verteilt – liebevolle Kleinarbeit, die das Anschaffen lohnt.
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