Rock-Spezialitäten

Wahl-Belgier mit amerikanischem Paß sind Tuxedomoon nun schon seit gut drei Jahren. Dennoch ist es seit ihrem Umzug aus San Francisco eher ruhiger um die ambitionierten Klang- und Performance-Künstler geworden – als Gruppe tauchte Tuxedomoon 1984 lediglich mit der Single „Soma“ im Angebot auf; Auflösungsgerüchte fanden Nahrung durch zahlreiche Solo-Aktivitäten der Bandmitglieder: Nach Blaine Reininger, dessen LP NIGHT AIR an dieser Stelle bislang unerwähnt blieb, startet jetzt Sänger Winston Tong einen Solo-Versuch und präsentiert sich auf der Maxi „Theoretical China“ tanzbar und melodisch, während die B-Seite alte Fans bei . der Stange hält (5).

Außerdem jedem TuxMoon-Fan zu empfehlen ist die COLORADO SUITE, eine Co-Produktion von Blaine Reininger und dem Franko-Kanadier Mikel Rouse (Ex-Tirez Tirez), sowie REGRETS ETER-NELS, ein faszinierend schönes Debüt des französischen Performance-Akteurs Karl Biscuit mit Beiträgen von B. Reininger, W. Tong und Marc Hollander (beide 4). (Alle Platten über Normal, Karl-Legien-Str. 188, 53 Bonn 1 und EfA-Vertr.)

Markenzeichen des Londoner Labels 4AD ist ein ureigener, düsteraufwühlender Sound, der schon jetzt sein eigenes Genre geschaffen hat: Mitglieder der Cocteau Twins, X-Mal Deutschland, Modern English u.a. bilden die wechselnde Besetzung der Label-eigenen Supergruppe This Mortal Coil, deren LP IT’LL END IN TEARS jetzt vorliegt. Zwischen eigenen Songs finden sich hier Klassiker aus der Feder von Tim Buckley, Alex Chilton oder Roy Harper (4).

Die eigentliche Entdeckung der T.M.C.-LP ist aber zweifellos Sänger Gordon Sharp, bei dem wirklich jeder Ton aus tiefster (gequälter?) Seele zu kommen scheint. In seiner eigenen Gruppe Cindytalk mutiert sein romantisches Talent zu einem beispiellosen Horror-Traum vor grau-schwarzen SynthesizerSchwallen. Hypnose, Nervenkitzel, mit Vorsicht zu genießen: die LP CAMOUFLAGE HEART (5).

Wesentlich humorvoller fällt dagegen die eigenwillige Klangwelt der Danielle Dax aus: die weibliche Hälfte der aufgelösten Lemon Kittens startet ihre LP JESUS EGG THAT WEPT mit einem ausgeflippt arrangierten Bar-Blues, der schon allein das Reinhören lohnt. Dax‘ ehemaliger Sideman Karl Blake nennt sich jetzt Shockheaded Peters, kreuzt auf der Maxi „I, Bloodbrother Be“ munter Folk mit Swing und zeigt auf der B-Seite Heavy Metal-Ansätze („Hate on Sight“). Zwei interessante, nie langweilige Platten (beide 5, Rough Trade Vertr.) Maxis: Sisters of Mercy’s „Walk Away“ eingängig wie immer, als Bonus mit limitierter Flexi-Disc „Long Train“ („Train“ als Disco-Mix) (WEA, 4). Minimal Compact und ihr bester LP-Track „Next One Is Real“ auf Tanz-Angst gemixt: Versuch gelungen (Normal, 4).

Enttäuschend das gemeinsame Projekt von Peter Murphy (Ex-Bauhaus) und Mick Kam (Ex-Japan): Als Dali’s Car ist ihnen auf „The Judgement is the Mirror“ nur ein austauschbares Keyboard-Thema und bedenklich schwacher Text eingefallen. (Virgin, 2).

Strikt nostalgisch klingen The Men They Couldn’t Hang, deren gleichnamige Maxi an vergessene Namen wie Steeleye Span und Fairport Convention erinnert: eigene Songs im Stile britischer Folk-Music, leicht elektrisiert und aufgepeppt (Demon, 4).

Traditionelle Einflüsse aus Folk und Country finden sich auch bei einer neuen australischen Band namens The Triffids, deren Songwriter David McComb zu den besten seiner Zunft zählt. Musikalisch zwischen Go-Betweens und Rain Parade gelegen, ist TREELESS PLAIN der LP-Geheimtip des Monats (Rough Trade Vertr., 5).

Abteilung Live: Weitere Live-Aufnahmen vom Gun Club (LA, Frühjahr ’81) sind jetzt auf der LP SEX BEAT ’81 zu haben. Aufnahmequalität mäßig, Stimmung rasend. Für Fans ein unbedingtes Muß (Frankreich-Import, 5).

Atonai-Festival Berlin, Dezember 83: den zweiten Teil des hervorragenden Auftritts von Psychic TV in einer leerstehenden Fabrikhalle ist jetzt auf der LP BERLIN ATONAL VOL.2 erhältlich. Trotz blechernen Klangs ein Moment der Magie. Die B-Seite bestreiten La Loora (EfA-Vertr., 4).

LIVE IN KREFELD stehen The World Of Sllly Girls auf der Bühne: Deutsch-Punk-Urviech Peter Hein plus Freunde mit allen erdenklichen Trash-Punk-Klassikern der Weltgeschichte im Koffer. Was im Laufe des Konzerts den Nerv töten kann, ist auf Maxi-Länge gerade noch erträglich: „Louie Louie“/“No Fun“. Das fetzt. (Vertr.: Das Büro, 4) The Beauty Contest sind auf ihrer zweiten Maxi-EP innerhalb dreier Monate noch besser geworden: Ihre Trash-Nummer „No.6“ läßt Vorbilder erblassen – und Sigurd Müllers „In The Park“ erinnert über 15 Minuten nachdrücklich daran, nachts die Grünanlagen zu meiden (What’s so funny about/Das Büro, 5).

Vinyl aus der Bierstadt Kulmbach kommt von den Atlantikschwimmern: sechs Songs mit viel Cure-Einfluß, am besten klingt der Aufmacher „Kommt mit mir“, wo ein Akkordeon den Keyboard-Part übernimmt (ZickZack/Das Büro, 3). Tournee im November/Dezember.