Rock-Spezialitäten

New Yorks No.1-Junkie greift zur Wandergitarre: Johnny Thunders, früher New York Doll/Heartbreaker, bringt eine echte Solo-LP und hält den aus neu & alt gemischten Set rein akustisch. Mit zerbrechlicher Stimme intoniert er meisterlich die ups & downs des Straßenlebens zwischen Romantik, Mülltonnen und Drogenproblemen. Sensible Seelen sollten HURT ME (New Rose/Rough Trade Vertr.) nur in kleinen Dosen genießen. (5)

Judy Nylon und Patti Palladin, besser bekannt unter Snatch, kommen posthum mit einem Album, dessen Wert auf dokumentarischem Gebiet liegt (RT-Vertr.):

Heim-Demos von ’76-78, informativer Covertext und als Bonbon ihre gesuchte Terroristen-Nummer „R.A.F.“, 1977 von Brian Eno produziert. (4)

Zur reifen Dame gealtert ist Janie Jones, Londons legendärer Sex-Star der 60er, doch mit der Unterstützung von Joe Strummer, der ihr schon auf der ersten Clash-LP einen Song widmete, geriet ihre Single „House Of The JuJu Queen“ (Big Beat/RT-Vertr.) zu einer im wahrsten Sinne majestätischen Pop-Nummer, die gut in einen James Bond-Film passen würde. (5)

Tolle Tatü-Tata-Gitarrenmusik bringt die neue (dritte) LP der Wipers aus Portland/Oregon. Schrill, schnell und dynamisch saust ihre Mixtur aus Garagenrock und Punk aus den Boxen, dazu Kurz-Melodien, die hängenbleiben – OVER THE EDGE (Brain Eater/RT-Vertr.) zeigt der Konkurrenz, wie man’s macht. (5)

Nach England: Cock Spätrer bringen die Punk-LP des Monats. Auf SHOCK TROOPS (Razor/RT-Vetr.) reihen sich die prächtigen Singalong-Pogo-Songs ohne Pause aneinander. Gekonnt werden einige Beat-Melodien eingearbeitet, so daß man getrost von Pop-Punk sprechen kann. Eine LP, die rundherum Spaß macht. (5)

Psychobilly – ansteckende Hirnkrankheit oder neuer Trend zum Rock n‘ Roll? Diese Frage beantwortet der Sampler BLOOD ON THE CATS (AGR/Boots Vertr.), der so gut wie alle wichtigen und unwichtigen Bands dieser neuen Richtung unter einen Hut bringt. Zwischen etlichen Newcomern finden sich bekanntere Namen wie The Meteors und Panther Burns, sowie der Urahn des Psychobilly, dessen Einfluß erst heute angemessen gewürdigt wird: Screaming Lord Sutch. (S) Kirk Brandon und sein Spear Of Destiny melden sich mit „Prisoner Of Love“ (CBS) zurück: zwei neue Studio-Tracks plus zwei alte Favoriten (live in Danzig!) auf einer Doppel-7″.(4)

The Birthday Party haben sich bekanntlich aufgelöst – vier Songs aus dem Nachlaß machen den Abschied nun noch schwerer. Die Maxi MUTINY! (Mute) zeigt die Band bei langsamen Balladen wie wilden Rockern in Höchstform. (5)

In London grassiert das Einstürzende Neubauten-Fieber: Im Wirbel um die „Collapsing New Buildings“ (GB-Presse) fühlt man sich in die Tage von Can oder Tangerine Dream zurückversetzt, bei denen auch erst die Auslandserfolge dafür sorgten, daß sich auch Deutschlands faule Ohren für ihre neuen Töne öffneten. Neben der neuen LP DIE ZEICHNUNGEN DES PATIEN-TEN O.T gibt es den Sampler 80-83 STRATEGIES AGAINST ARCHI-TECTURE (Rough Trade), der ältestes Material der Band wieder zugänglich macht. (4) Derweil widmet Fad Gadget der Band seine neue Single/Maxi „Collapsing New People“ (Mute) und läßt sie zum gemächlichen Disco-Beat als Gäste die Metalle klappern (4), während England bereitwillig erste Nachzügler-Bands hervorbringt: Test Department machen auf ihrer Maxi „Compulsion“ (Phonogram Import) ebenfalls Hi-Techproduzierten Hammer-Krach, der aber trotz des philosophischen Hintergrundes bereits Disco-geeignet ist (3).

Gleiches gilt für SPK und „Metal Dance“ (Metronome): reiner Disco mit Metall-Effekten, als Blickfang eine asiatische Sängerin. (3)

Severed Heads nennt sich ein australisches Duo, das mittels Bandschlaufen Geräusche aus dem TV oder ähnlichen Quellen rythmisch effektvoll einsetzt. Ihre LP SINCE THE ACCIDENT (Virgin) bezieht sich auffallend stark auf Industrial Bands wie Throbbing Gristle. (3) Aus der Kölner Umgebung: The Unknown Cases nennt sich die Formation um Stefan Krachten und Helmut Zerlett (Ex-Dunkelziffer), auf deren Maxi „Masimba Bele“ (Rough Trade) auch der jüngst verstorbene Conga-Spieler Rebop Kwaku Baah mitwirkte. Flotter Afro-Beat mit etwas Heavy-Gitarre – ein Disco-Tip! (4)

Über DELUGE, die LP des Ex-Can-Gitarristen Michael Karoli mit der Engländerin Polly Eltes (Spoon/ TIS), verrät der Pressetext, sie sei „am Ufer eines reißenden Flusses tief in den südfranzösischen Alpen“ entstanden – dennoch keine ganz entrückte musikalische Welt. Lebhaft fließende Themen, viel Kleinarbeit und der Verzicht auf leidige Heimstudio-Elektronik machen das Ganze zu einer interessanten und abwechslungsreichen LP (3)