Album des Monats

Sault

Untitled (Black Is)

Forever Living Originals (VÖ: 19.6.)

Ein Statement Schwarzer Selbstbestimmung, Sound der Zeit und Trip durch die Geschichte afro-amerikanischer Musik im selben Moment. Featuring Soul, Funk, Doo-Wop, Gospel und Afrobeat im Zitat.

Einen Titel geben Sault ihrem Album nur in der Klammer. Ein Gesicht wollen sie nicht zeigen, Informationen nicht geben. Wer die Währung des digitalen Zeitalters mit Ignoranz bestraft, setzt mit bestem Wissen und Gewissen gerade auch wieder ein Zeichen. Die Band Sault agiert erst einmal aus einem semiotisch leergefegten Raum, dort darf sich ihre Musik umso mehr in den Vordergrund spielen, aus ihr spricht am Ende des Tages der Ruf nach Selbstermächtigung, gerichtet aneine kollektive afro-amerikanische Community.

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Die geballte Black-Power-Faust auf dem Cover des Albums hat etwas beinahe Dokumentarisches und das entspricht dem Stil der Songsammlung. Ein Mini-Statement gab es vorab, Sault kündigten UNTITLED (BLACK IS) als Markierung eines historischen Moments an, in dem Menschen Schwarzer Herkunft um ihr Leben kämpfen. 20 Stücke hat die Band jetzt veröffentlicht, einige davon rohe Klangskizzen auf Sample-Basis, die Mehrzahl ausgearbeitet und in voller Pracht stehend. Musik, das erzählen sie alle auf einmal, repräsentiert unseren Stolz.

„We all know it was murder. Murder, murder, murder“

Sault bedienen sich dabei in einem Akt des Respekts der Geschichtsbücher, sie zitieren einen weiten Bogen ziehend Soul, Gospel und Afrobeat ins Hier und Jetzt, speisen Spoken-Word-Passagen und Verweise zu Malcolm X und den Black Panthers in ihre Songs ein. Selbst eine Doo-Wop-Ballade verwandelt sich in einem atemberaubenden Moment in ein Tongedicht zur Zeit. „Black is beautiful. You know, now you do, Black is excellent, too. In me, in you“, heißt es in „Black Is“, die Stimme, die das vorträgt, strahlt eine große Friedfertigkeit aus. Im Kontrast dazu stehen Songs, die uns mitnehmen in den alltäglichen Kampf, in Szenarien, die von Wut, Angst und Gewalt dominiert sind, einkopierte Polizeisirenen und Demo-Sprechchöre legen Zeugnis von einer aufgeheizten Aggressivität im öffentlichen Raum ab.

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Wie präzise diese Band mit Sound und Erwartungen zu spielen vermag, demonstriert sie im vergleichsweise polierten Soulsong „Wildfires“. Aus den verträumten Sphären des handbeklatschten Tracks klagt eine Stimme den Polizeiterror an, und der Name George Floyd muss nicht einmal fallen: „We all know it was murder. Murder, murder, murder“.

In ihren Songs zündelten Sault mit Klangmaterialien aus Postpunk, Funk, Jazz und Soul

Wie aus dem Nichts und mit nichts außer ihren herausfordernden Aufnahmen waren die MusikerInnen 2019 mit zwei kurz hintereinander veröffentlichten Alben aufgetaucht. Die Cover von 5 und 7 zeigten auch nichts als Streichhölzer, die die titelgebenden Ziffern illustrierten – auf tiefschwarzem Grund. Auf der Rückseite das Tracklisting und der Hinweis „Produced by Inflo“. In ihren Songs zündelten Sault mit Klangmaterialien aus Postpunk, Funk, Jazz und Soul, sie legten Lunten in die Soundräume der South-Bronx-Legenden ESG oder direkt zu Motown und mixten so ganz nebenbei den R’n’B dieser Tage schlank.

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In einem Moment klang das extrem catchy, im nächsten spielte die Band mit den Möglichkeiten von Irritation und Verfremdung. Inzwischen gilt als halbwegs gesichert, dass neben Produzent Dean „Inflo“ Wynton Josiah, der schon mit Michael Kiwanuka und Little Simz arbeitete, die Sängerin Cleo Sol und die Rapperin Kid Sister dem Ensemble angehören. Kiwanuka macht als Gastsänger in dem Afrofunksong „Bow“ mit, in der Rolle eines Botschafters, der Solidaritätsgrüße an die Black People in der Diaspora schickt.

Fordernd, umarmend, inspiriert und inspirierend

„Bow“ und der furiose Gang-Bang-Bass-Vocal-Track „Stop Dem“ („Even though we know that you fear us. That ain’t no reason to kill us.“) stehen musikalisch noch deutlich in einer Linie mit den Aufnahmen der beiden 2019er-Alben, über weite Teile aber findet UNTITLED (BLACK IS) einen eigenen Ton und Flow: fordernd, umarmend, inspiriert und inspirierend. „Revolution has come! Still won’t put down the
gun!“ heißt es im ersten Album-Stück, Sault nehmen hier den Kampf im Sinne der Black Panthers auf, mit Gedichten, die Waffen sein können.

Party-Raves und #BlackLivesMatter: Jetzt nicht ablenken lassen!

Dafür bedienen sie sich dann doch noch des gängigsten Tools des Digital Pop: das Album steht als kostenloser Download im Netz. Die Band teilt ihren Wake-up-call ohne Bezahlschranke, Rassismus ist eine globale Erfahrung, und der Protest gegen Polizeigewalt und strukturelle Unterdrückung braucht uns alle. Wie das aussehen kann, darüber bleiben wir in Kontakt. UNTITLED (BLACK IS) hat Black Lives Matter eindrucksvoll in Klang gesetzt.

UNTITLED (BLACK IS) im Stream hören:

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