Screaming Trees – Dust

Spätsommer 1992. Der „Sound Of Seattle“, der sogenannte Grunge, ist in aller Ohren. Im Sog von Nirvana und Co. gelingt damals auch einer der dienstältesten Bands der Seattle-Szene erstmals ein größerer Wurf: SWEET OBLIVION, das sechste reguläre Album der Screaming Trees, verkauft sich mit 300.000 Exemplaren zwar sehr ansehnlich, doch kaum vergleichbar mit trendigen Grunge-Megasellern wie den Frischlingen Alice In Chains. Nach ausgiebigen Tourneen, unter anderem im Vorprogramm von eben letzteren, wird es aber wieder still um die Trees. Dabei hatte man sich schon 1994 wieder ins Studio begeben. Sänger Mark Lanegan erinnert sich: „Bald zeigte sich, daß wir einfach nicht bereit waren, schon wieder eine Platte aufzunehmen. Irgendwie paßte überhaupt nichts. Ich habe damals relativ schnell gemerkt, daß das nichts wird. Aber wir haben weitergemacht.“ Bis man sich irgendwann einig war und das Album resigniert aufgab – eine Erfahrung, die sich nicht gerade beschleunigend auf die Arbeit an neuem Material auswirkte, dafür ist man im Hause Screaming Trees zu sehr Gemütsmensch: „Wenn du sowas mal mitgemacht hast, dann willst du hundertprozentig sichergehen, daß beim nächsten Mal wirklich alles stimmt.“, brummt Lanegan. „Wenn’s sein muß, würde ich heute 20 Jahre warten, bevor ich eine Platte rausbringe – aber dann wär’s eine, von der die Leute auch Notiz nehmen.“ So lange hat’s gottlob ja nicht gedauert. Daß aber doch noch gut zwei weitere Jahre ins Land gehen mußten, hat – neben den Soloaktivitäten der Bandmitglieder (Lanegan veröffentlichte 1994 sein zweites Soloalbum, Drummer Barrett Martin verdingte sich im Allstar-Projekt Mad Season) – auch simple praktische Gründe: allein beim Warten auf die Verfügbarkeit von Wunschproduzent George Drakoulias, Haus- und Hof-Mixer von Tom Petty, verstrichen sechs Monate. Doch auch als man sich schlußendlich an die Arbeit machte, sah man keinen Grund zur Eile. „Früher haben wir nie viel mit Sounds experimentiert, diesmal haben wir uns die Zeit genommen“, erklärt Lanegan. Während alle bisherigen Trees-Werke ihre psychedelische Kraft fast ausschließlich aus der Rock-Minimal-Instrumentierung Gitarre/Baß/Schlagzeug bezogen, bringt DUST endlich zusammen, was zusammengehört: extensiv eingesetzte, allgegenwärtige Mellotron-Klänge, sparsam gesetzte Cello-Passagen, die verzwirbelten Sounds, die Gary Lee Conner seiner Gitarre entlockt (wie etwa die sitarähnlichen Klänge des Openers ‚Halo Of Ashes‘), zartes E-Piano-Klimpern, das Songs wie ‚All I Know‘ oder ‚Dying Days‘ verfeinert – ein ganzes Kaleidoskop von Soundsprengsein ergänzt den psychedelisch-schweren Lavasound der Trees wie guter Wein ein feines Essen. Unterstützt von Gastmusikern wie Tom Petty-Keyboarder Benmont Tench an sämtlichen Tasteninstrumenten und Pearl Jam-Gitarrist Mike McCready errichten Lanegan, die gewichtigen Conner-Brüder Gary Lee und Van (bass) und Drummer Barrett Martin eine gewaltige, doch in den filigransten Schattierungen schimmernde Wall Of Sound, die dabei ohne ein Gramm Kleister zu stehen vermag. Genug der Blumigkeiten, nur drei Momentaufnahmen aus diesem Eldorado der Klänge: man höre das majestätisch-bedrohliche Gitarrenriff, das schleichend das sonnige ‚Look At You‘ verdunkelt, den klingelnden Moog-Lauf, der in ‚Sworn And Broken‘ für Sekunden alle Glückseligkeit der Welt herausjubeln will oder werfe sich in das federweiche, doch unterschwellig unheilvoll wabernde Mellotron-Bett von ‚Traveler‘: Wer hier ohne Gänsehaut bleibt, für den ist diese Platte nicht gemacht. DUST, das Meisterwerk der Screaming Trees? „Na ich weiß nicht“, grummelt Lanegan, „ich mag die Platte, aber ich glaube, wir könnten das noch verdammt viel besser.“ Wir reservieren schon mal diese Seite hier.