Sonic Youth :: Hamburg, Große Freiheit 36

Tage vor dem Konzert an St. Paulis Bar-Theken, die immer gleiche Szene: „Und, gehste hin?“ -„Ja, schon. Sind immerhin Sonic Youth. Auch wenn die letzten Konzerte echt dröge waren…“ Das waren sie, in der Tat. Lustlos schrummelten sich vier fahrig wirkende Schlauköpfe durch seltsame Setlists, sperrige Soundbrei-Suppen und allzu verkopftes Knöselbröseltum. Auch Ikonen werden alt, dachte man. Dann: das neue Album „Murray St.“. Und mithin ein Lichtstreif am Indie-Horizont: Ja. sie können es noch! Sie wollen es wieder! So auch heute: Vom ersten Moment an sind sie massiv präsent, von mächtigem Druck beflügelt und beseelt mit einer unglaublichen Spielfreude. Gut, der Leadgesang ist auch heute ihre Sache nicht; dieser Teil scheint ihnen mehr notwendiges Übel als echter Lustgewinn. Doch der Rest ist ein Fest. Der Sound ist ein Monster aus Dynamik, nervzerrender Lautstärke und echten Rock-Eiern. Jim O’Rourke, der neue fünfte Mann, pumpt mittels Bass und Gitarre hektoliterweise Quietsch-Orgasmen in die Songs, während Kim Gordon häufiger ohne Instrument dasteht und etwas tut, das wohl niemand erwartet hätte: Sie tanzt! Süß, sexy, anrüchig, entfesselt, ungekünstelt – ein bisschen wie die heroineske Version von Björk. Dazu spielen sie „Sexability“, „Eric’s Trip“ und weitere heimliche Lieblingslieder: „Bull In The Heather“. „Drunken Butterfly“, „Sugar Kane“. Und als dann bei Zugabe Nummer drei nach über hundert Minuten stilvoll kanalisiertem Wahnsinn auch noch „Kool Thing“ aus den Boxen birst, ist es endgültig vorbei mit der hanseatischen Zurückhaltung: Das Publikum dreht durch, schreit, will mehr, ist verzückt, verstört, verzaubert und alles dazwischen und spricht hinterher mit leuchtenden Augen von einem der besten Konzerte seit Jahren. Danke, Sonic Youth, danke für diesen Abend. Jetzt versteht man wieder, wie Indie und Noiserock geht.

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