Stromae

Multitude

Polydor/Universal (VÖ: 4.3.)

Der Global-Chanson-Pop setzt auf weniger Tanzboden und dafür noch mehr Tiefgang.

Im Grunde war das immer schon ein Missverständnis, dass Paul Van Haver alias Stromae naive Gute- Laune-Mucke mache. Aber schon Stromaes Debütsingle und Durchbruch-Hit „Alors On Danse“ (2009) war keine kurzsichtige Perspektive aufs Schwofen, sondern machte sehr klar: Stromae glaubt genau daran nicht, dass die Disco uns heilt; er entlarvt diesen Lösungsansatz geradezu, zieht ihn beinah ins Lächerliche in dem Dance-Hit.

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Viel ist seitdem geschehen, Stromaes letztes Album RACINE CARÉE liegt neun Jahre zurück, er ist 36, ist Papa geworden, hat katholisch geheiratet. Depressionsgeplagt hatte er sich der Öffentlichkeit entzogen und sogar erwogen, niemals mehr Musik zu machen. So weit ist es, ein Glück, nicht gekommen, denn MULTITUDE ist nun ein großer Wurf, ein Lehrstück, wie man sich als Künstler treu bleiben kann und dennoch weiterentwickelt.

Mit MULTITUDE ist Stromae etwas gelungen, woran Lady Gaga seit vielen Jahren scheitert

Denn auch wenn an der Klangoberfläche das eurotänzelnde 4-to-the- Floor verschwunden ist, sind letztlich viele Ingredienzien dabei, die Stromae-Fans seit jeher verzaubert haben: die kubanischen Beats und Bläser, dieser sogenannte Son Cubano (die Ursuppe von Mambo, Salsa, Cha-Cha-Cha), aber auch die in den 60ern und 70ern quer durch Afrika so populäre kongolesische Rumba.

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Und natürlich: Stromaes kraftvolle und dabei doch verblüffend wendige falsetto- und bassstarke Baritonstimme, der man jede Silbe glaubt, weil Stromae nie auf Autopilot stellt, sondern, geschult an Chanson-Ikone Jacques Brel, ständig sinntragende Überraschungen bereithält in seiner unnachahmlichen Phrasierungsweise. So singt Stromae von der Last psychischer Probleme („L’enfer“), fordert Gerechtigkeit für seine Mama, die andere eine Nutte nennen („Fils de joie“), und schwärmt mit ironischen Spitzen vom Glück ein Papa zu sein, das Kotze („vomis“) und Kacka („caca“) einschließt.

13 Acts, die wir auch nach ihrem Mainstream-Durchbruch gut finden

In „Santé“ spricht Stromae einen sozialistischen Toast auf die Kapitalismus-Klassenverlierer aus. Stromae ist schon lang ein neuer Typus Popstar, aber mit MULTITUDE ist ihm etwas gelungen, woran Lady Gaga seit vielen Jahren scheitert: die Verwandlung vom Dance-Pop-Star zum ernst zu nehmenden Singer/Songwriter.

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