Superpunk über Serge Gainsbourg
Normalerweise mag ich keine LPs. Liegt vermutlich an mir, von wegen kurzer Aufmerksamkeitsspanne usw. Aber ich bin auch schon so oft enttäuscht worden: Erst fängt eine Scheibe ganz flott an und dann: „Being For The Benefit Of Mr. Kite“. Und für so was müssen Bäume sterben. Anders natürlich ANNA, der Soundtrack zum gleichnamigen TV- Film aus dem Jahre anno sowieso. Ich will ja nicht angeben, aber ich kenne mich wirklich mit Musik aus, und wenn eine LP schon so lange (ungefähr vier Jahre) immer wieder von mir höchstselbst angehört wird, muss einfach was dran sein, glaubt mir. Ich habe mich sogar zum ersten und einzigen mal dazu hinreißen lassen, mir neben der CD auch noch die Vinylversion zu kaufen, und das trotz meines angespannten Budgets. Aber warum? Erst zwei Jahre vor ANNA hatte sich Serge entschlossen, auch „Rock“ zu spielen, und seine Version von „Rock“ ist bis heute leider viel zu selten kopiert worden, nämlich schlaue Texte über „un rhythme de jerk“ zu singen. Es lohnt, sich die Mühe zu machen, herauszufinden, worum es in Gainsbourgs Texten geht. Selbst als abgebrühter Music-Lover des Jahres 2008, der sich wer weiß was alles an Musik reingepfiffen hat, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und der gute Mann hat seine Songs schon vor 40, 50 Jahren geschrieben. „Wenn ich gute Texte will, les` ich ein Buch“, höre ich aus dem Off. Sehr richtig! Gute Texte + schlechte Musik = Schlechte Musik. Ein Problem, mit dem meines Erachtens viele Tonkünstler kämpfen müssten oder kämpfen sollten, nicht aber unser Held. „Rhythme de jerk“ ist natürlich etwas untertrieben. ANNA ist sophisticated bis der Chefarzt kommt, dabei aber so leicht zu konsumieren wie ein „Juicy Fruit“. Die Platte ist, wie der Künstler selbst, ein Doppelagent. Auf den ersten Blick eine Pop-Platte, aber beim genauren Hinhören/Hinsehen: Ein Universum. Spooky, aber auch happy. Bubblegum und Barock. Sound effects, Orchester, Beat, Gebrüll. Seltsame Akkorde. Schauspieler (Jean-Claude Brialy, Anna Karina) die im herkömmlichen Sinne nicht singen. Gemurmelte Schweinereien, Zynismus und große Gefühle. Das „movement alternative“ und Stendhal. Ein „Boomerang“. Songs, die mittendrin aufhören. Zeilen, die nach den musikalischen Gesetzen des Abendlandes nicht auf die Musik passen können.Eine Mischung, welche bei 99,9 % derartiger Versuche zu Ohrenkrebs führt. Hier aber passt es und geht auf wie eine ellenlange mathematische Gleichung. Und: Obwohl entstanden zu einer Zeit, als Mutter Subkultur die Blumenkinder gebar, 0,00 % Hippie. Es ist mir unbegreiflich, dass Serge Gainsbourg nicht so bekannt und beliebt ist wie die Beatles oder DJ Ötzi.Carsten Friedrichs hat mit seiner Band
gerade das Album WHY NOT? veröffentlicht. Ab Ende April sind Superpunk mit Fettes Brot
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Carsten Friedrichs – 13.03.2008
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