The Beatles :: Let lt Be… Naked

Bislang ging Apple mit dem Beatles-Erbe recht souverän um - hoffentlich markiert diese Neuausgabe nicht den Wendepunkt.

Wenn diese Zeilen erscheinen, dann kann man die Nacktausgabe von let it be bereits käuflich erwerben. Was sicherviele Menschen tun werden, denn – hey! – es ist ein neues Album der Beatles, und das gibt es nicht alle Tage. „Neu“ ist natürlich relativ zu verstehen, die Songs kennt man alle, nur die Produktion unterscheidet sich recht drastisch von der Originalausgabe des Jahres 1970. Zum Zeitpunkt, da diese Zeilen entstehen, werden die Vorab-CDs allerdings noch so gut gehütet wie die britischen Kronjuwelen, zum einmaligen Genuss der elf Tracks lädt die Plattenfirma in ausgewählte Nobelhotels. Schnittchen und Getränke. Aber keine Tonträger. Nur das eine Exemplar, für das der Mann von der EMI persönlich haftet. Journalistenkollegen, die ergriffen lauschen. Einer brummt bisweilen mit.

Was zunächst auffällt, ist rein technischer Natur: Die Reihenfolge der Songs wurde geändert,.. Dig It“ und“.Maggie Mae“ fehlen gänzlich, dafür gibt’s „Don’t Let Me Down“. Die kurzen Dialoge der Originalausgabe wurden ebenfalls gekippt, Ersatz findet sich auf der Bonus-CD „Fly On The Wall“, und zwar 23 Minuten lang. Konkrete Eingriffe in die Musik sind in erster Linie bei „Let It Be“, „The Long And Winding Road“. „Across The Universe“ und „I Me Mine“ hörbar. Phil Spectors Streicher und/ oder Chöre fehlen gänzlich, was besagten Stücken einen anderen Charakter einhaucht. Was gestern noch eine große Ballade war, wirkt plötzlich beinahe folkig, und das hat durchaus seinen Reiz.

Sämtliche Songs klingen wesentlich brillanter, direkter, man mag es auch moderner nennen. Ein Triumpf zeitgemäßer Studiotechnik, gewiss, aber liegt der Charme historischer Aufnahmen nicht auch gewissermaßen im Unperfekten? Ist die Magie des Moments nicht ein kostbares Gut? Es geht nicht um blanken Konservativismus, nach dem alles gefälligst so zu bleiben habe, wie es schon immer war. Es geht um Respekt. Das komplette Album digital remixt und remastert – von mir aus. Die betreffenden Stücke ohne Spectors Streicher-Schmuh – das ginge an, kann man doch den entschlackten Versionen als potenziellen Bonustracks neue Aspekte abgewinnen. Aber warum werden zwei Songs getilgt, ein weiterer draufgepackt und sämtliche Dialoge gestrichen? Warum werden zwei Takes zu einem neuen „l’ve Got A Feeling“ verschmolzen? Niemand hielt die Beatles damals davon ab, genau das Gleiche zu tun. Sie taten es nicht.

Toningenieure sollen für einen möglichst guten Klang sorgen, das ist ihr Job. und den haben die drei Techniker in Apples Diensten Isiehe „History“] bravourös gemeistert. Doch wenn sie Songs komplett neu editieren, geht das ein Stück zu weit. Der nächste Schritt wäre es dann, ein Gitarrensolo von einem Studio-Wizard nachspielen zu lassen, weil Georgies Verstärker damals auf dem Dach so komische Störgeräusche einfing. Immerhin brüllt das digitale Zeitalter nach perfektem Sound. Es mag polemisch klingen, aber kein Mensch, der bei Verstand ist, käme auf die Idee, einen Rembrandt zu überpinseln, auf dass er besser dem Zeitgeschmack entspricht. Auch wenn heute nur noch Minderheiten goldene Kopfbedeckungen tragen: „Der Mann mit dem Fahrradhelm“ ist keine Lösung.

Ob Apples ungewohnt beliebiger Umgang mit historischem Material ein Zeugnis überbordender Weisheit ist, sei also dahingestellt; zumal gleichzeitig die Chance verpasst wurde, let it be in der von den Beatles ursprünglich geplanten Version entstehen zu lassen – dann hieße das Album get back, und irgendwo fände sich der Song „Save The Last Dance For Me“. Vielleicht kommt das Werk Weihnachten 2005. Oder 2007. >>>

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Discografie (Auswahl)

1963 Please Please Me

1963 With The Beatles 1964 A Hard Day’s Night 1944 For Säle 1965 Help 1965 Rubber Soul 1966 Revolver 1967 Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band 1967 Magical Mystery Tour 1968 The Beatles 1969 Yellow Submarine 1969 Abbey Road 1970 Let lt Be alle Parlophone/Apple/Capitol