The Last Shadow Puppets, Berlin, Tempodrom

Kaltes Grausen: Ein Rock’n’Roll-Konzert, das mit dem Einmarsch eines Orchesters beginnt. So spannend der Augenblick ist – Gestalten schleichen im Dunkeln herein, verteilen sich fast lautlos auf die Plätze und rascheln dann geheimnisvoll mit Notenblättern -, erweckt keine guten Assoziationen. Zu oft hat die Annäherung von Pop und Klassik aus den falschen Gründen stattgefunden: The London Symphony Orchestra plays Queen? Metallica & The San Francisco Symphony Orchestra? The Scorpions mit den Berliner Philharmonikern? Brrr. Auch die Dresdner Sinfoniker haben bedenkliche Einträge auf ihrer Vita („Mein Herz brennt – nach Texten und Musik der Gruppe Rammstein“), am 17. Oktober im Tempodrom aber konnten sie nicht viel falsch machen. Das Engagement des „abenteuerlustigen Orchesters“ (Eigenwerbung) war kein Gunmick für ein Wettendass-Publikum, sondern, aus Sicht der fanatischen Musikliebhaber Alex Turner und Miles Kane, bare Notwendigkeit: Die Songs der Last Shadow Puppets sind auch im Original fast alle orchestriert. (Inspiration für das Projekt ist einst Scott Walkers „Jackie“ gewesen, ein dramatisch mit Bläsern und Streichern arrangierter Song von 1967. „Stell dir vor: Wäre es nicht cool, wenn wir so einen Songaufnahmen würden -jetzt, in unserem Alter?“, hatte Turner im Winter 2007 Kane am Telefon gefragt. Die beiden setzten ihre Pläne in die Tat um und nahmen mit dem London Metropolitan Orchestra das Album THE AGE OF THE UNDERSTATEMENT auf.) Dass das bisher einzige Deutschlandkonzert tatsächlich großartig war, lag vor allem an den beiden 22-jährigen Hauptfiguren. Die musikalische und kompositorische Souveränität, die (primär) Turner und sein Freund und Bandkollege Kane mit ungespielter Lässigkeit demonstrierten, war schlichtweg atemberaubend. Die Zeit zwischen Anfang (ein proggiger Auftakt mit Nebel, blauem Licht, Geigengesumme und langgezogenen Gitarrentönen als Anlauf für „In My Room“) und Ende („Only The Truth“ mit großem Finale aus gleichzeitigem Gegniedel, Getröte und Gesäge) verging fast zu schnell, um all die wunderbaren Momente wirklich bewusst erleben zu können: Die dynamischen Laut-Leise-Wechsel in dem galoppierenden „The Age Of The Understatement“, die Wüd-West-Gitarrenläufe der B-Seite „Gas Dance“, das bezaubernde Duett von Kane und Rosalie Cunningham (von der Vorgruppe Ipso Facto) bei dem Nancy-Sinatra/Lee-Hazlewood-Klassiker „Paris Summer“, der Wechselgesang von „The Chamber“ – alles Highlights in einem durchweg kurzweiligen Konzert. Auch die Coverversionen waren gut gewählt: „In The Heat Of The Morning“, eine wenig bekannte David-Bowie-Single aus der Zeit vor dessen Debüt-Album, und als Zugabe (Turner: „This one is for the ladies“ – hysterisches Gelächter auf der Bühne, hysterisches Kreischen im Publikum), „Memories“ von Leonard Cohen.

Gab es Kleinigkeiten zu bemängeln, war meist das Orchester schuld: Die Dresdner, die vorher kaum mit der Band proben konnten, gerieten bisweilen ins Schlingern. Der einzige wahrlich fürchterliche Moment aber war eine Gemeinschaftsproduktion – und zudem auch noch lehrreich: Als in der Mitte von „The Meeting Place“ für einen kakophonen Augenblick alles außer Kontrolle geriet (die Geigen flirrten schief, die Bläser wackelten, und Turner sang plötzlich auch noch falsch), wurde erst wirklich klar, wie professionell dieses ambitionierte Projekt den Rest des Abends über die Bühne ging. Bitte bald wiederkommen!

>»www.theageoftheunderstatement.com