Tool

Lateralus

Der kommerzielle Erfolg dürfte Tool sicher sein, denn auf "Lateralus" finden sich zwei potenzielle Hits. Die Rock-Revolution blieb jedoch aus.

Psycho-Rock: Kauzig

Kauzig nennt man Menschen, die auf ihre ganze eigene, verschrobene Art unkonventionelle Ideen verwirklichen. Dieses zweifelhafte Prädikat beschreibt Tool perfekt: Die scheuen, introvertierten Gesellen exponieren sich lediglich in ihren psychotischen Klang- und Visualgebilden. Der Rest ist Schweigen. Nach dem Erfolg von AENIMA war es daher knapp zwei Jahre totenstill um die vier Werkzeugmacher. Jetzt legt die Gruppe um den skurillen Frontmann Maynard James Keenan nach: Lateralus dürfte die verkaufstechnische Krönung der bisherigen Tool-Karriere sein. Das vierte Album der Band hat alles, was eine moderne Rockplatte braucht: Charisma, Intensität, Eigenständigkeit. Und: Hits.“Schism“ und „Parabola“ zementieren sich dank einprägsamer Melodieführung, druckvoller Produktion und mächtigem Groove blitzartig im Zerebrum. Dennoch: der wegweisende Charakter, den die Tool’schen Kompositionen stets innehatten, zeigt sich auf Lateralus lediglich beim unkonventionellen „Reflection“. Ethno-Trommelwirbel, spartanischer Gitarreneinsatz und hypnotisch-manische Vokaleruptionen sind die Ingredienzen der experimentellen Klangcollage, die spätestens beim Einsatz schräger Orientalrhythmen die Vermutung nahelegt, dass die vier Herrschaften den Song während eines Flashbacks komponierten. Während des elfminütigen Epos tun sich psychische Abgründe auf, die sich nur partiell nachvollziehen lassen – und gerade ob dieser Entrücktheit so visionär erscheinen.