Wallner beginnt zu fliegen – von Thomas von Steinäcker

Familienromane sind nicht wirklich Top of the Cool ’07, aber wie meist kommt es a) drauf an, was man draus macht, b) erlebt man die größten Überraschungen (Achtung, Binse!) immer da. wo man sie nicht erwartet. Thomas von Steinäcker, 30, promovierter Literaturwissenschaftler, hebt ein buntes Fähnchen aus seinem Buch.eine Comic-Middle-eight, die dem Roman alle mögliche Lästigkeit und Magenschwere aus dem Gesicht bläst. Die Geschichte beginnt indes mit einer Katastrophe: Ein ICE entgleisten Zeitlupe), Menschen sterben (in frappierender Schwerelosigkeit), einer davon ist Günter Wallner. Dessen Sohn Stefan steht im Zentrum des ersten Teils, dervon der Zerfaserung, dem Zerfall eines Lebens erzählt, das, von kalendarischen, sachlichen, leeren Details („17.15 Uhr. Dr. Beierle. Brille.‘) zusammengehalten wie von Stecknadeln, ständig zu entgleisen, ins Nichts zu stürzen droht und dies auch tut. Die scheinbare Kälte. Nüchternheit, Ferne in Steinäckers Erzählton verhüllt Verzweiflung, Sorge. Engagement, wie immer man das nennen mag; und so entsteht ein Changieren, eine Spannung, die einem die Nackenhaare sträubt, als badete man in dieser Sprache wie in eiskaltem Sprudelwasser. Der zweite Teil erzähltvon Stefan Wallners Sohn Costin, Star einer TV-gecasteten Boygroup, der durch Leben und Welt flackert wie eine Flipperkugel; hier ist die Kälte eine andere, eher rasend als lähmend, aber erst im dritten Teil, in dem Costins Tochter Wendy im späten 21.Jahrhundert)!)die Familiengeschichte recherchiert und zu fassen versucht, wird ein glühender, menschlicher Kern spürbar, in dem der Roman Wurzeln schlägt. Tief berührt legt man das Buch zur Seite, fragt sich, was einen da so berührt hat, während die eisige Eleganz der scheinbar simplen Sprache nachhallt und mit der Erkenntnis winkt, die Frage könnte sich selbst beantworten, wenn man sie nur klingen lässt. >» www.frankfurter-verlagsanstalt.de