Weltmusik :: Africando/Natacha Atlas/Chico César
Africando – Martina (Sono/Exil/Indigo)
Mehr Demokratie wagen: African Salsa von der Band, die’s am besten kann.
Elf Tracks, zehn Vokalisten. Jeder darf mal ans Mikrofon. Ein Plädoyer für mehr Dialog auf dem Schwarzen Kontinent? Doch ausgerechnet Ismael Lo, der einst Youssou N’Dour fast den Rang abgelaufen hätte, enttäuscht als prominentester Gast auf Martina mit einer Performance, die nur von der Musik zusammengehalten wird. Auf der Produktionsebene allerdings leistet Boncana Maiga wieder ganze Arbeit. Grundsolide Big-Band-Arrangements im Stil der legendären Fania All Stars und überwiegend afrikanische Gesangsbeiträge bringen die kubanischen Rhythmen an ihren Ausgangspunkt zurück. Im Jahr 1992 rief der Meister aus Mali die panafrikanische Salsa-Truppe ins Leben. Schnell entpuppte sich das Liebhaber-Projekt als größter Erfolg aus der Schmiede des „Quincy Jones of Afropop“. Zuletzt punkteten Africando auf Betece mit Gastbeiträgen von Salif Keita, Koffi Olomide oder Lokua Kanza. Der Nachfolger jener Allstar-Sessions aus dem Jahr 2000 fällt nicht mehr ganz so spektakulär aus. Dafür entschädigen Maigas Mannen mit Latinkrachern wie „Temedi“ featuring Sekouba Bambino oder „Fouta Tooro“ von Medoune Diallo. Der Senegalese ist einziges noch verbliebenes Gründungsmitglied einer Formation, die heute Musiker aus Benin, Guinea, Burkina Faso und sogar Haiti in ihren Reihen zählt. Der sprechende Bandname „Vereintes Africa“ wurde mit diesem Album endgültig zum Programm erhoben. 4
>>> www.exil.de
Natacha Atlas – Something Dangerous (Mantra/Beggars/Zomba)
Die Sängerin mausert sich endgültig zum Aushängeschild panarabischer Popmusik.
Ride de riddim! „Eye Of The Duck“, ein Raggamuffin-Hammer mit eingeflochtenen Arabesken, hat absolut das Zeug zum Tanzflächenfüller – nicht nur bei den weltoffeneren HipHop- und Reggae-Fans. Zu finden ist dieser Ohrwurm auf Something Dangerous, das so klingt, als wolle Natacha Atlas, die Tochter eines ägyptischen Vaters, ihre unglaubliche Vielseitigkeit diesmal auf einem einzigen Album demonstrieren. Nach dem meditativen Konzeptalbum Foretold In The Language Of Dreams meldet sich eine der großen weiblichen Stimmen der arabischen Welt mit einem abwechslungsreichen Meisterwerk zurück, das sich vom Kairoer Shaabi-Pop ihrer vorangegangenen Produktionen Gedida und Ayeshteni weitgehend entfernt hat. Stattdessen knüpft Natacha Atlas unmittelbar an ihre Zeit als Frontfrau bei Transglobal Underground an – zum Beispiel in „Janamaan“, einem Titel mit Anleihen beim derzeit so beliebten indischen Bhangra. Gemeinsam mit Sinead O’Connor intoniert Natacha Atlas im bluesigen „Simple Heart“ ein inspiriertes Duett. Und ihr Entdecker Jah Wobble zupft den Bass auf dem Dublastigen „This Realm“. Mit einer regelrecht poppigen Mixtur aus orientalischen Melodien, Trance-Grooves, Raggamuffin und Breakbeats stellt Natacha Atlas auf Something Dangerous einmal mehr ihre Klasse unter Beweis. Der neue Stern am Himmel der arabischen Musik kann sich sogar an der legendären Oum Kalthoum messen lassen. 4,5
>>> www.mantrarecordings.com
Chico César – Respeitem Meus Cabelos, Brancos (Exil/Indigo)
Tupy or not tupy – das ist für Chico César keine Frage.
Fremde Einflüsse aufsaugen, verdauen und als ureigene Kreationen wieder ausspucken. Seit Oswald de Andrades anthropophagisches Manifest im Jahr 1928 die Brasilianer zu kulturellen Kannibalen ernannte, lassen sich die Künstler aus diesem Land ungeniert von allen möglichen Einflüssen aus dem ganzen Erdkreis inspirieren. Noch die Erben der Tropicalisten, wie Bahias Enfant terrible Carlinhos Brown, beziehen ihre Identität aus dem lokalen Mischmasch der Rassen und dem globalen Clash der Kulturen in Brasilien. Auf wundersame Weise klingt das Resultat dann aber dennoch stets eindeutig brasilianisch. Auch Francisco César Goncalves legt auf Respeitem Meus Cabelos, Brancos in sensiblen Balladen („Templo“) und karibischen Reggaetunes („Nas Fronteiras Do Mundo“) eine erstaunliche Weltoffenheit an den Tag, ohne darüber seine Herkunft zu verleugnen. Sein clubbiges „Experiencia“ mit Gastsängerin Nina Miranda (Smoke City) geht mit einer genialen Revitalisierung regionaler Tänze wie Coco, Sirimbó oder Reizado einher – etwa im rustikalen „Flor De Mandacaru“. Césars Fähigkeit, der von Afrikanern, Indios und Europäern zu gleichen Teilen geprägten Tradition im ausgedörrten nordöstlichen Hinterland einen zeitgemäßen Sound zu verpassen, ist immer wieder faszinierend. Pop, Folklore und Elektronik bilden auch auf Chico Césars fünften Album Respeitem Meus Cabelos, Brancos keinen Gegensatz, sondern finden zu einer erfrischenden harmonischen Einheit zusammen – natürlich auf unverkennbar brasilianische Weise. 4,5
>>> www.exil.de
Mehr News und Stories