Konzertbericht

Role Model in Berlin: Schwiegermamas Liebling heizt der Columbiahalle ein

Am 12. November spielte Role Model ein Konzert in Berlin – so war seine Show.

Als die Lichter in der Columbiahalle ausgehen, könnte man für einen Moment denken, gleich trete Justin Bieber auf. Doch an diesem Abend steht ein anderer Mädchenschwarm auf der Bühne: der amerikanische Singer-Songwriter Role Model. Im Rahmen seiner „No Place Like Tour“ stattet Tucker Pillsbury, so sein bürgerlicher Name, auch der deutschen Hauptstadt einen Besuch ab. Ziemlich genau ein Jahr zuvor spielte er bereits in Berlin, wie er selbst anmerkt. Seitdem hat er vier neue Songs veröffentlicht – Grund genug, mit seinen bisherigen Alben und den neuen Tracks erneut auf Tour zu gehen.

75 Minuten Springen, Tanzen und Mitsingen

Mit dem Song „Writings On The Wall“ eröffnet Role Model seine Show – der Upbeat-Sound bringt die überwiegend weibliche Crowd in Sekundenschnelle zum Springen, Tanzen und Mitsingen. Diese Energie zieht sich durch den gesamten Abend, denn selten sind Konzertbesucher:innen so textsicher wie in den folgenden 75 Minuten. Auch Pillsbury selbst zeigt sich tänzerisch und lässt gleich zu Beginn seine Hüften so gekonnt kreisen, dass man sich fragt, ob er das wohl täglich vor der Show übt.

Seine Bühnenpräsenz lässt sich schwer imitieren: ein lockerer Umgangston, offene Körpersprache und eine entspannte Unbekümmertheit, die pure Coolness ausstrahlt. Kombiniert mit seinem „Schwiegermamas-Liebling“-Image zieht er die gesamte Halle in seinen Bann. Auch die Songauswahl dürfte an diesem Abend jedes Fanherz höher schlagen lassen. Nach „Look At That Woman“ und „Scumbag“ wird es ruhiger: Mit „Oh, Gemini“ schlägt Tucker Pillsbury sanftere Töne an, die das Publikum direkt aufnimmt und mitsingt. „a little more time“ führt diese Stimmung fort – die Columbiahalle schunkelt drei Minuten lang im Takt.

Zwischen Drinks und Dinner

Auch wenn Role Model der klare Hauptcharakter des Abends ist, drängt sich ein Nebendarsteller immer wieder ins Rampenlicht: die Wasserflasche. Mehrmals bitten Fans lautstark um Wasserversorgung. Die Luft in der Halle ist, wie so oft am Columbiadamm, knapp, weshalb Pillsbury zwischen den Songs wiederholt darauf hinweist, dass seine Fans versorgt werden sollen. Erst als das sichergestellt ist, geht es weiter.

Auf Mitsing-Songs wie „The Dinner“ und den älteren Track „blind“ folgt mit „Slut Era Interlude“ eine Performance, die Pillsburys kraftvolle Vocals betont. Den zweiten Teil des Konzerts eröffnet er mit einem Cover von „Somebody Else“ der britischen Band The 1975, das in seiner Neuinterpretation fast wie ein eigener Song wirkt. Kurz darauf fragt man sich, ob man in „Toy Story“ gelandet ist – „The Longest Goodbye“ erinnert stark an „You’ve Got a Friend In Me“. Auch optisch ist Role Model mit Woody gar nicht so weit entfernt. Doch dieser Gedanke verfliegt schnell, als der Sänger mit Notizbuch und Barhocker im Lichtkegel sitzt und „Something, Somehow, Someday“ anstimmt. Er scherzt, der Text sei zu lang, um ihn auswendig zu können – und so wird aus dem Gig eine kleine Lesestunde. Die Performance ist so ehrlich und roh, dass es schon mal feucht in den Augen werden kann.

Wer ist die „Sally“ bei Role Model in Berlin?

Gegen Ende des Auftritts steht eine Frage im Raum: Wer wird heute die berühmte „Sally“ sein? Für seinen Song „Sally, When The Wine Runs Out“ holt Role Model bei jedem Konzert eine Person auf die Bühne, um gemeinsam einen Teil des Songs zu performen – mal Prominente wie Niall Horan, Lewis Capaldi oder Kate Hudson, mal Fans aus dem Publikum. Die Spannung ist spürbar, fällt jedoch in dem Moment ab, als klar wird: Diesmal ist es ein glücklicher Fan aus der Menge. Keine Nina Chuba oder Harry Styles, wie zuvor in den sozialen Medien spekuliert wurde. Die „Sally“ in Berlin bringt ihre ganz eigene Energie auf die Bühne: Sie springt, tanzt und singt, als gehöre die Stage ihr. Ein Moment, den sie wohl nie vergessen wird.

Gleiches gilt für die restlichen Fans am 12. November in der Columbiahalle. Das Konzert endet mit „Deeply Still In Love“ – ein letzter Höhepunkt, der die Location erneut zum Beben bringt. Ein würdiger Abschluss für einen rundum gelungenen Auftritt von Tucker Pillsbury in der Hauptstadt. Mit Glück im Herzen, Schweiß auf der Stirn und heiseren Stimmen verlassen die Besucher:innen die Halle – eine Zugabe gibt es nicht. Offenbar können sich internationale Artists mit diesem Konzept noch immer nicht recht anfreunden.