Stille Kraft voraus!


Die Pop-Allerweltssprache Engtisch beherrschen Sigur Rös allenfalls rudimentär, aber das ist nur einer von vielen Gründen, warum das Gespräch mit den Musikern eine eher zähflüssige Angelegenheit ist. Orri Päll Dyrason, im Bandkontext fürs Schlagzeugspielen zuständig, sitzt im Kölner Hitton. Keyboarder Kjartan Sveinsson, eigentlich zweiter Mann im Interview-Doppel, Schwächelt dank einer Spontan-Grippe und liegt zusammengerollt in einer Sitzgruppe in der Hotellounge. Die beiden anderen Bandmitglieder, Sänger und Gitarrist Jon Thor Birgisson und Bassmann Georg Holm, geben anderenorts in Europa Interviews – die Promotionmaschine läuft. Nicht unbedingt, weil Sigur Rös scharf darauf sind, sondern weil die Gesetzmäßigkeiten der Branche nun mal so sind: Die Künstler haben eine neue Platte gemacht und mögen bitte möglichst vielen Journalisten davon erzählen, damit die viel darüber schreiben.

Sigur Ros und ihre Künstlerseelen wohnen in Reykjavik, machen seit neun Jahren zusammen Musik und sind seit ihrem Album „Agaetis Byrjun“ nicht nur in vielen isländischen, sondern auch in ganz vielen anderen europäischen Ohren und Herzen. Ihr aktueller Tonträger umfasst acht unbetitelte Stücke, das kürzeste um die sechs, das längste um die 13 Minuten lang. Auch das Album als Ganzes ist namenlos – was in geschriebener Form, so hat es sich die Band ausgedacht, so aussehen soll:..()“. Orri: „Die Leute können die Lücken zwischen den Klammern füllen, wonach ihnen der Sinn steht. Songtitet sind Vorgaben van uns, deshalb haben wir sie diesmal weggelassen. Wenn Menschen unsere Musik hören, sollen sie klare Kopfe haben. „

Was die Verpackung angeht, setzen Sigur Rös also auf das Prinzip des Unfertigen. Ihre Stücke indes sind auch auf“.I )“ wieder Klangvollere/ de Luxe – drohnige, in Musik gemeißelte, zeitlupenhafte Soundlandschaften. Mit schier unglaublicher Stringenz schichtet die Band Klangwall auf Klangwall, die Keyboardflächen sind größer als der Bodensee, Gitarrist Jon Thor Birgisson behandelt sein Instrument zumeist sanft mit dem Cello-Bogen und singt dabei mit einer ätherischen Falsettstimme – entrückt von allem und jedem, weit weg von Fassbarem.

„There’s not a Single ward on the album , erklärt Orri. „Kein Isländisch, keine andere Sprache. Nur dos, was wir ‚Hopelondish‘ nennen. Es ist reine Lautmalerei, die Jonsi mit seiner Stimme betreibt. Erbenutzt sie als zusätzliches Instrument. Was ersingt, bedeutet nichts. Öderes bedeutet alles, was du hineininterpretierst.“

Sigur Ros schippern gern auf lyrisch Undefinierten Gewässern, sind aber neugierig auf Deutungsmöglichkeiten ihrer“.Texte“. Deshalb haben sie auf ihrer Homepage ein Forum eingerichtet, in dem Fans ihre Interpretation der Laute offerieren können. Was keineswegs ein interaktiver Jux sein soll: „Bei so einer Aktion erfahren wir auch immer etwas Neues über uns „, sagt Orri. „aber unsere Sprache ist und bleibt die Musik.“ Die ist, auch darin dem Vorgänger „Agaetis Byrjun“ nicht unähnlich, auf „l)“ pathetisch, elegisch weit und breit und oftmals so einlullend, dass man vor lauter Honig, der einem auf die Seele gepinselt wird, zuweilen das Zuhören vergisst und sich aus dem Ist-Zustand wegtreiben lässt. Warum die Musik von Sigur Rös so anders klingt als die der meisten anderen Bands, die in der gleichen Besetzung spielen wie sie, weiß Orri nicht: „Wirhaben kein Ritual, wer mit einem Song anfängt. Manchmal ist da zuerst eine Basslinie, manchmal etwas anderes.“

Von nicht unwesentlicher Bedeutung für den Sigur-Rös-Sound dürfte das Studio der Band sein: 15 Autominuten außerhalb von Reykjavik gelegen, nehmen Sigur Rös in einem ehemaligen Hallenbad auf, das sie vor zwei Jahren gekauft haben.“.Wir hoben es weitgehend so gelassen, wie es war. Der natürliche Klang dort passt sehr gut zu der Atmosphäre unserer Songs. „Orri Päll Dyrason hat gesprochen, er sackt ein wenig in sich zusammen. Ein letztes Aufbäumen:“.Der Himmel kann sehr groß sein in Island.“ Was dann noch folgt, ist eine Zustandsbeschreibung der heimischen Flora: „Wir haben sehr wenig Bäume dort.“ Nichtsdestotrotz: Die Musik von Sigur Rös bleibt mit „1 ]“ das, was sie auch nach“.Agaetis Byrjun“ schon war: ein Schatz. Man sollte ihn auf alle Fälle sorgfältig hüten.

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