Ted Nugent


Nugent, der Mann mit der schießenden Gitarre, posierte in unserer Juli-Ausgabe als Kopfnuß. Nachdem wir Euch so dezent auf den Super-Vitalo eingestimmt haben, können wir es jetzt wohl wagen, eine komplette Geschichte aufs Papier zu bringen. Sylvie Simmons, geübt im Umgang mit Heavies aller Schattierungen, notierte die Geständnisse eines unserer letzten aktiven Naturfreunde!!?

Eines will ich Dir sagen: Dieses Album ist ein Phänomen der Neuzeit!“Ted Nugent erholt sich hinter der Bühne in seinem Wohnwagen vom Auftritt beim California World Music Festival. Der Gig ist soeben in einem Meer von blitzenden Lichtern und krachenden Feuerwerkskörpern zuende gegangen. „Die LP heißt „State Of Shock“. It’s got more balls than an entire herd of gnus in Africa. Your’re gonna shit when you hear it! „

So ein rasender Auftritt hätte einen geringeren Sterblichen japsend am Boden enden lassen; der Motor City Madman dagegen ist so selbstsicher, charmant und gesprächig wie immer. Frag ihn irgendetwas – speziell über sein Lieblingsthema Ted Nugent – und du handelst dir eine längere Abhandlung darüber ein. Frag ihn nichts, und du erntest erst recht eine. Das hat er zweifellos mit seinem Vitalo-Kollegen Dave Lee Roth von Van Halen gemeinsam.

Teds Lieblingsthema ist zur Zeit das neue Album. „State Of Shock“ entstand in Florida zwischen Jam Sessions mit Pat Travers und Molly Hatchet und in New York. Laut Nugent ist das „die beste LP, die ich je gemacht habe.“ Womit er zweifellos recht hat. Was wir von seinem neuesten Gitarrenschock halten, könnt Ihr unter Longpiavers nachlesen. Was der Künstler selber meint, steht schon hier. Denn Ted läßt sich nicht bremsen, sein Meisterwerk selbst zu rezensieren: „Im Titelsong singt Ted wie ein junger Gott. Diesmal habe ich auch Leadvocals übernommen, wenn ihr nichts dagegen habt. Kein „Wang Dang Sweet Pootang“-Geschrei. sondern richtig notengetreu! Ich singe wirklich gut. „State Of Shock“ ist ein midtempo Song mit traditioneller Gitarren-Führung. Und dann folgt der beste Song, den ich jemals geschrieben habe: ‚Paralysed“, ein echter Nugent-Klassiker, ich muß ja wohl nicht erklären, was das bedeutet!“

„Der nächste Song, „Satisfied“, hat ein gefährliches Gitarrensolo und Feedback-Harmonien, die da oben in der verdammten Stratosphäre hängen.“ Ted gibt eine Kostprobe, und der Wagen gerät ins Schwanken. Die Titel „Saddle Sore“ und „Bite Down Hard“ klassifiziert er dann schlicht als out-and-out-rocker, und „Take It Or Leave lt“ als really interesting. „Es hat einige echt verzwickte Gitarrenfiguien und ’ne Menge Gegenrhythmen, und ich singe dazu eine tierische erste Stimme.“

Zwei der Songs sind mit Sicherheit eine Überraschung für Ted Nugent-Fans. Zunächst ist da die Coverversion des Beatles-Titels „I Want To Tell You“ (von der LP „Revolver“). „Als ich ins Studio ging,“ erklärt Ted, „hatte ich 50 Songs und die schwere Entscheidung am Hals, welchen ich aussuchen soll. Aber den Beatles-Song wollte ich unbedingt drinlassen. Er besitzt eine starke guitar line. wie gemacht für den jungen Ted, sein Talent ins rechte Licht zu rucken. Den Gesang teile ich mir mit Charlie (Huns) – das war noch ein wenig viel für mich, so gut bin ich noch nicht.“

Der andere Song bringt eine völlig andere Seite des Detroit-Rockers ans Tageslicht. „Es ist eine schöne, langsame, gefühlvolle Ballade: ‚Alone‘. Wirklich ein hübscher kleiner Song, für mich mal was ganz anderes. Ich hatte so ein Feeling dafür, darum habe ich ihn auf das Album genommen, und außerdem kommt darin ein unerhörtes Gitarrensolo vor. Mit diesem Album kommt jeder auf seine Kosten. Jeder, der rocken will, kriegt hier garantiert seinen Orgasmus, guaranfuckingteed.“

Na bitte: zu behaupten, daß Ted mit seinem Album zufrieden sei, wäre absolutes Understatement. Man sollte ihm wirklich nicht in die Hände fallen, wenn man die Scheibe blöd findet. Übrigens hat Ted Nugent schon wieder einen neuen Bassisten. (Walt Monaghan, der auf der neuen LP spielt, mal ganz ausgeklammert). John Sauter, der erst im vergangenen Jahr beim California Jam-Festival vorgestellt worden war, fand einen Nachfolger in dem Detroiter Dave Kaswini. Ted: „Das war eine schwere Entscheidung. John war ein Profi, ein Meister an seinem Instrument und ein sehr verantwortungsbewußter Mensch.“ Und als ob er Gedanken lesen könnte, ergänzt er: „Du wirst jetzt fragen, ‚warum hast du Arschloch ihn dann verdammt noch mal gefeuert?‘ Nun, der Grund dafür war der, daß meine Musik nach einem sehr pulsierenden, treibenden, perkussiven Baß schreit. Und wer wie John mit den Fingern zupft, bringt das nicht fertig. Ich kenne eine Menge Bassisten, die meinen, ‚ah, Nugent ist ein Arschloch, ich kann das mit den Fingern.‘ Und ich sage ihnen: ‚Go eat a large fuck!‘ Du mußt die Saiten hart anschlagen, um diesen Hammereffekt zu bekommen. Und Dave hat den nötigen Biß.“

Seinen ersten öffentlichen Auftritt absolvierte Dave ganze zwei Tage vor dem riesigen California Music Festival. Ted glaubt an die Methode, jemanden einfach ins kalte Wasser zu werfen. „Das tut ihm gut,“ lacht er. „Es ist schon witzig, denn Johns erste Tourneewoche mit mir schloß gleich das California Jam ein. Wirf sie ins verdammte Feuer – es ist gut für sie!“

Zur Zeit jagt Ted seine Band gerade um die halbe Welt. Von Ende April bis Anfang Mai fegte er bekanntlich auch durch bundesdeutschen Konzerthallen – allerdings ohne sein Versprechen zu erfüllen, einen Mercedes auf der Autobahn schrottreif zu fahren. Wer Ted kennt, weiß in welchem Zustand ein Auto ist, nachdem er einmal dringesessen hat. Auch für Japan hat er sich einiges vorgenommen: „Das letztemal hatte ich meine Frau dabei. Das war der schlimmste Fehler, den ich machen konnte. Jetzt kehre ich zurück, weil ich einige hübsche Mädchen sehnsüchtig zurückgelassen habe und all die Weiber bumsen will.“ (Bekanntlich hat Mrs. Nugent vor einigen Monaten die Scheidung eingereicht). Genau acht Monate im Jahr läßt Nugent die Sau raus. Die restlichen vier gehören seinen Kindern. „Das Leben ist nicht lang genug, um alles zu tun, was ich mir vorgenommen habe,“ beklagt er sich. „In diesen vier Monaten will ich jedenfalls nichts anderes tun als Jagen und mich mit meinen Kindern beschäftigen. Die Zeit gehört ihnen. Ich wünschte, das Jahr hätte 24 Monate, dann wäre ich vielleicht in der Lage, die Dinge unter einen Hut zu bekommen. Ich bin ein aggressiver Typ und ziehe wirklich gern einen vom Leder. Deshalb könnte mir leicht passieren, daß ich mich überarbeite und dabei draufgehe. Also arbeite ich nur acht Monate und auch immer nur fünf Abende hintereinander. Ich weiß, was ich meinem Körper zumuten kann. Wenn ich auf der Bühne stehe, spiele ich sowieso verrückt; ich würde mich umbringen, wenn ich mich noch mehr antreiben würde.“

Die Jagd ist eine seltsame Art der Entspannung, aber Ted steht drauf. Und er weist es strikt von sich, wenn man ihm unterstellt, daß er die Tiere hasse. „Ich liebe Tiere,“ brüllt er. Und versucht zu erklären: „Es gibt eine Beziehung zwischen Mensch und Tier, die alles übersteigt, was sich jemand, der nicht mit der Tierwelt vertraut ist, überhaupt vorstellen kann. Wenn ich bei den Tieren im Wald bin, und die Sonne geht auf, in ihrer Umgebung, dann entsteht zwischen uns eine Beziehung, die jemand, der glaubt, daß jagen barbarisch sei, ganz einfach nicht verstehen kann. Es ist in der Tat die natürliche Beziehung. Ich töte nicht. Ich jage. Wenn ich jage, nehme ich dem Tier das Leben. Aber ich beweise den größten Respekt vor diesen Tieren. Ich töte sie auf direkte, saubere und effektive Art. Ich behalte all das Fleisch, ich nehme die Knochen, Zähne und die Klauen für Schmuck, ich verwende die Häute für Kleidungsstücke und als Dekoration für mein Haus. Und ich glaube, daß ich dem Tier die größte Hochachtung erweise, wenn ich seinen Kopf an die Wand bringe und so immer daran erinnert werde, unter welchen Umständen er dorthingekommen ist. Einmal war ich sechs Jagdsaisons lang hinter einem Hirsch her, bis ich ihn endlich hatte. Nein, sowas macht dich nicht traurig. Es ist ein einzigartiges Gefühl. Man kann es nicht erklären, du mußt es selbst erfahren.“

Ted ist in Fahrt: „Ich gebe Tausende von Dollars aus, um mein Land im Norden von Michigan pflügen und kultivieren zu lassen, damit das Wild den Winter hindurch genug Futter findet. Ich schieße nicht mehr als zwei oder drei Stück Wild im Jahr – ich sorge aber dafür, daß zwei oder drei Tausend überleben, nicht mitgerechnet all die Eichhörnchen und Singvögel. Ich bin wirklich an ihrem Überleben beteiligt und sitze nicht nur da und sage, ‚Ooh, sie haben doch so schöne braune Augen und sie sind so hübsch!‘ Was ist mit unseren gutaussehenden Kühen, die in irgendwelche Wannen gepfercht werden und deren Fleisch an irgendwelche Fabriken geschickt wird?! Das ist kein Respekt vor Tieren. Meine Jagd ist so etwas wie die letzte natürliche Beziehung zu den Tieren.“

In diesem Sinne habe er auch seine Kinder aufgezogen, meint Ted – „obwohl wir nur außerhalb der Saison in den Wald gehen und uns nur an die Tiere heranschleichen und versuchen, sie zu berühren. Ich habe mich an grasendes Wild herangepirscht, was im allgemeinen unmöglich ist, und habe den Tieren das Hinterteil getätschelt. Ich würde gerne mal sehen, wie eins von diesen städtischen Schweinen so etwas schafft!“

Es scheint, als habe Ted Nugent bei allem, was er tut, genug Selbstvertrauen. Oder steckt hinter seiner lauten Art irgendeine Unsicherheit? „Du solltest einen Psychiater kommen lassen,“ grient er, „den würde ich davon überzeugen, daß er krank ist! Ich genieße das Leben. Auf meinen Schultern sitzt ein guter Kopf. Ich konzentriere mich auf meine Wünsche und Bedürfnisse und gehe geradewegs darauf zu.“

Und erreicht Ted alles? Er scheint überrascht, daß man ihn überhaupt danach fragt. „Ja, absolut. Ich amüsiere mich wirklich. Ich stürze mich auf alles und spiele Gitarre wie ein absoluter motherfucker. Ich zähle mich jedesmal selbst aus, wenn ich spiele. Und so läuft es auch, wenn ich von der Bühne ‚runter bin.“