Tom Petty: Tom Petty & The Heartbreakers live


Into The Great Wide Cold: Trotz Nebel und Nieselregen geht für ME/Sounds-Autor Severin Mevissen beim Open-Air der Heartbreakers die Sonne auf. Glen Helen Pavillion, Devore, Californien.

Das war nicht ‚Into The Great Wide Open‘, das war ‚Into The Great Wide Cold‘: Je näher wir dem zwei Autostunden von L.A. entfernten Devore kommen, umso dunkler werden die Wolken am Abendhimmel. Kurz vorm Ziel fängt es dann auch noch an zu nieseln. Es ist neblig, feucht, kalt, und mit dem Himmel verdüstert sich auch die Stimmung. Erst recht mit der Aussicht auf ein eineinhalbstündiges Open-air-Konzert einer Band, die für mich der Inbegriff bierseligen Ami-Arbeiterrocks ist – auf einer (niederen) Ebene mit Bruce Springsteen, Bob Seger und Huey Lewis.

Anscheinend bin ich aber der einzige, der an diesem Abend negativ geladen ist, denn die restlichen 15.000 zeigen sich trotz der widrigen Umstände bestens gelaunt. Arme Narren, denke ich, hoffnungslose Romantiker, die hier einen Hauch von Nostalgie einatmen wollen, mit Songs aus einer Zeit, in der sie noch keine Schwimmringe um die Hüften hatten und mehr als drei Light-Biere trinken konnten, ohne gleich aufs Klo rennen zu müssen. Und was soll das Gefasel vom „generationenübergreifenden Rockstar“? Zwei kleinen Blagen, die der Vater mitgeschleppt hatte, ist es zu verdanken, daß das Durchschnittsalter der Zuschauer auf 37,5 Jahre gedrückt wird. Nein, hier sind keine Beastie Boys-, Offspring oder Green Day-T-Shirts zu sehen. Doch genug der Vorbehalte. Vergessen wir für einen Moment, daß Petty seit Jahren als Hip’n’Hot von MTV verkauft wird, vergessen wir die unerträglichen, aber preisgekrönten Videos, in denen der Halbindianer wie ein Midlifegestreßter Deutschlehrer rüberkommt. Konzentrieren wir uns einfach auf die Show. Und die ist – Überraschung – gut.

Der Vorteil alteingespielter Bands ist, daß sie dem Publikum nichts mehr beweisen müssen. Sie gehen einfach auf die Bühne und ziehen durch, was sie seit 20 Jahren durchziehen. Petty, sein Gitarrist und Co-Produzent Mike Campbell, Keyboarder Benmont Tench, Bassist Howie Epstein und der neue Drummer Steve Ferrone sind da keine Ausnahmen. Und im Gegensatz zu anderen Langzeitrockern (letztes Beispiel: Van Halen) lebt eine Tom Petty-Show nicht von den alten Hits. Natürlich spielen die Heartbreakers alte Jukebox-Knaller der Marke ‚Refugee‘ und ‚American Girl‘, aber die neuen Songs nehmen gut zwei Drittel des Abends ein und verleihen der Veranstaltung gehörig Pep. Anstatt das neuere Material zwischen den Gassenhauern zu verstecken, eröffnen Petty & Co. gleich mit ‚Love Is A Long, Long Road‘ vom ‚Full Moon Fever‘-Album, arbeiten sich weiter über ‚I Won’t Back Down‘ und ‚Freefallin“ zu aktuellem Stoff wie ‚You Wreck Me‘, ‚Time To Move On‘ und ‚Wildftowers‘ – allesamt gute Songs, die vor allem deshalb wirken, weil sie nicht durch Tom Pettys profillose Erscheinung im Tanz mit Wasserleichen auf überdimensionalen Videowänden verwässert werden.

Tom Petty & The Heartbreakers sind eine exzellente Live-Band, die nur gelegentlich überroutiniert glatt, meist aber warm und inspiriert wirkt. Nach einer halben Stunde habe ich vergessen, daß es immer noch schweinekalt ist und der Regen weiter auf uns niedernieselt. Und mit der Schlußnummer ‚Alright For Now‘, nimmt mir Tom Petty die Worte aus dem Mund: Er ist in Ordnung – zumindest bis zum nächsten Wiedersehen auf einem der Videokanäle…