Zurück in die Zukunft


Die Hippies sind wieder da. Alte Hippies kommen aus heiterem Himmel auf Tournee (Santana, Neil Young), neue Hippies haben volle Häuser (Los Lobos, Lone Justice), und die ganz neuen Hippies spielen in Cafes und Diskotheken. Oder gleich auf der Straße. Timbuk 3 sind nur zu dritt: das Ehepaar Barbara und Pat MacDonald und ihr Stereo-Recorder, die "Jambox". Sandra Maischberger und Rolf Lenz trafen Timbuk 3 auf ihrer ersten, kurzen Deutschland-Tour.

So ganz taufrisch sind die „ganz neuen Hippies“ aus Austin, Texas, allerdings auch schon nicht mehr: Barbara ist 29, Pat noch ein paar Jahre älter. Kennengelernt haben sie sich 1978. seit vier Jahren sind sie verheiratet, Sohn Devin ist dreieinhalb. Sie leben zusammen, arbeiten zusammen: bis auf etwa eine Stunde täglich sind sie nie getrennt. Anderen Paaren würde da die Decke auf den Kopf fallen — Pat findet’s „überhaupt nicht langweilig“. Barbara: „Manchmal kracht’s ganz schön, aber dann kommt wieder ein toller die oder Devin sagt was Lustiges. „Wenn wir uns streiten, dann über ganz kleine Suchen: nie über Musik. Die Musik bringt uns dann wieder zusammen.“

Als Band sind Timbuk 3 das perfekte Team, ein Herz und eine Seele. Nach so was haben sie lange gesucht, erinnert sich Pat: „Wir haben beide schon solo gearbeitet — das macht zwar eine Weile Spaß, aber irgendwann geht dir das menschliche Miteinander ab.

Andererseits: In einer Band mit sechs Leuten mußt du viel mehr Kompromisse schließen. Bevor du mit dem Zeug nach draußen gehst und dich mit l’latienfirmen auseinandersetzen mußt, hast du deine Energien schon innerhalb der Band verpulvert. In jeder Bund gibt’s einen, der meint: , Wir müssen unbedingt kommerzieller werden, Mann‘ …“

Barbara: „… Wir brauchen unbedingt ’ne Bierfirma als Sponsor …“

Pat: „… und irgendwer in der Band ist immer gerade am Verhungern oder hat ein teures Hobby oder bloß einen Lebensstandard, den er halten will.“

Von ihrer letzten größeren Gruppe sind Barbara und Pat einfach sang- und klanglos im Stich gelassen worden; zwei Tage, bevor die erste, selbstfinanzierte Platte ausgeliefert werden sollte. „Wir hatten alles verloren“, sinniert Barbara. „Zeit, Geld, Gesundheit… Die Platte konnten wir auch nicht verkaufen. Aber wir hatten immernoch unsere Songs, unsere Liebe zur Musik und unsere Liebe zueinander. Also beschlossen wir, es ganz im Kleinen zu probieren — mir wir beide, so daß wir überall spielen können: auf der Straße, in Plattenläden…“

Pat hat sich eh noch nie so ganz wohl dabei gefühlt. Musiker für eine Band anzuheuern: „Ich stelle nicht gern Leute ein und schreibe ihnen dann vor, was sie tun sollen. Für mich wirkt das immer ein bisschen wie Sklaverei: und da versklave ich doch lieber Maschinen, denen im das wenigstens nicht weh.“

Fur Timbuk 3 wurden ein Drumcomputer, diverse Studio-Utensilien und ein Stereo-Recorder, besagte „Jambox“, versklavt. Baß und Schlagzeug sind auf Cassetten aufgenommen, die live bei Bedarf in den Recorder geschoben werden.

Barbara und Pat tingelten schon eine Weile durch texanische Clubs und hatten ihre Democassetten erfolglos an sämtliche lokalen Plattenfirmen geschickt, als 1985 ein Team des US-Musiksenders MTV nach Austin kam. um ein Special über die dortige Rockszene zu drehen. Timbuk 3 standen zwar nicht auf dem Programm, spielten aber zur selben Zeit in einer kleinen Bar. vor durchschnittlich 12 zahlenden Zuschauern. Genau in diese Bar verirrte sich eines nachts der Produzent der Fernsehshow, blieb bis zum Ende ihres Auftritts und nahm sie in die Sendung. Zurück in Los Angeles, „flüsterte er in die richtigen Ohren“ (Barbara) — und Timbuk 3 hatten einen Plattenvertraa.

Ihr Debüt-Album, GREETINGS FROM TIMBUK 3, klingt wie die endgültige Synthese aus Joni Mitchell, Bob Dylan und Grandmaster Flash — und das können sie ohne weiteres auch live bieten. Nach ausgiebig-perfektionistischem Soundcheck erzeugen die MacDonalds mit Jambox, zwei Gitarren, Mundharmonikas, Geige und zweistimmigem Gesang mühelos das Soundvolumen einer fünf- bis siebenköpfigen Band.

Pat schreibt die Songs: gegen nuklearen Wahnsinn und für Barbara; über die Härten des Lebens; über Leute, denen es so gut geht, daß sie sich was schämen sollten, und über Kollegen, die sich an die Hersteller „mieser, beschissener Bremse“ verkaufen. „Das sind die wahren Drogen-Pusher. Drehen armen Leuten Dreck an, der ihrer Gesundheit schadet — kleine Kinder, die haufenweise Koffein und Zucker schlucken! Ich finde es traurig, daß die Cola-Finnen Leute wie Tina Turner und Michael Jackson einfach kaufen können. Die hüben das Geld doch gar nicht mehr nötig, sondern benutzen bloß die Musik, um ein Produkt zu verhökern, das sie selber gar nicht kaujen würden. So was trifft mich ganz persönlich, ich finde, man sollte Musik und Verkaufen nicht durcheinanderbringen. Für mich war Musik immer ein wichtiger, ein entscheidender Teil meines Lebens. Und als ich großgeworden bin, waren die ,Stars‘ Leute, die was zu sagen hatten, Helden, Idole … Wenn einer von denen plötzlich angefangen hätte, irgendwas zu verkaufen, hätte mich das echt getroffen. „

Auch wenn’s Werbung für sein Lieblings-Spielzeug gewesen wäre? Pat überlegt einen Moment.“.Wahrscheinlich war es schon allein das Verkaufen. Weil sie das nicht nötig gehabt hätten, das wäre einfach nicht cool gewesen. Verkaufen ist wasfiir häßliche, alte Knacker. Junge, intelligente, flotte Popstars verkaufen nichts — die machen Musik. So dachten wir, als wir klein waren. Selbst Johnny Cash war für mich irgendwie ein Volksheld, und es hat mich sehr trauriggemacht, ais er einen Werbespot für eine Ölgesellschaft aufnahm. Daß solche Leute so was bloß wegen des Geldes machen, nimmt ihnen ihre mystische Besonderheit. „

Anders ist das mit Werbung für eine gute Sache — gegen Robbenschlachten oder für Umweltschutz —. aber selbst mit so was ist Pat lieber vorsichtig: „Wenn man dabei zuviel Wert darauf legt, seinen Standpunkt klarzumachen, geht das musikalisch leicht daneben, weil die Aussage plötzlich mehr Bedeutung hat als der Song. Für mich ist beides gleich wichtig. Stevie Wonders ,Don’t Drive Drunk‘ war sicher ein schöner Werbespot, über bestimmt nicht mein Lieblingslied von ihm.