Konzertbericht & Fotogalerie

50 Cent live in Berlin: Eine gemischte Tüte für 50 Cent


Laser & TamTam: 50 Cent lud in der Berliner Mercedes-Benz Arena in den „Candy Shop“. Wir waren dabei.

Recht emsig war 50 Cent in den vergangenen zehn Jahren zumindest musikalisch nicht. Abgesehen von einer Greatest-Hits-Platte 2017, dem bekanntlich letzten Ausweg der Unkreativen, hat sich seit 2014 nichts mehr getan. Fifty, bürgerlich Curtis James Jackson III, machte stattdessen sein Vermögen mit Videospielen, Handyklingeltönen, Kleidung und Cognac. Lukrativ? mit Sicherheit, aber das Volk lechzt nach einem Comeback. Und so begibt sich der Gangstarapper, dessen Kindheit von Kriminalität geprägt und von dem Mord an seiner Mutter durch Unbekannte überschattet wurde, 20 Jahre nach dem Release seines Erfolgsalbums GET RICH OR DIE TRYIN‘ auf große Welttournee.

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Get rich or die tryin‘

Dieser Slogan begleitet den in Queens/NYC geborenen Künstler und Geschäftsmann schon sein ganzes Leben. Als Jugendlicher verdient er sein Geld mit Drogengeschäften, muss in den Knast, überlebt als 25-Jähriger schwerverletzt einen Mordanschlag, bevor ihn 2003 sein Überhit „In da Club“ weltweit in die Charts katapultierte. Seitdem hat sich Jackson ein veritables Imperium aufgebaut, sodass er mit seiner ärmlichen Vergangenheit abschließen konnte. Einen Hehl hat er aus seinem Reichtum nie gemacht, ebensowenig wie viele der Besucher:innen in der Berliner Mercedes-Benz Arena, wo unzählige Chanel-Taschen neben den vergleichsweise günstigen Modellen von Prada und YSL zur Schau gestellt werden. Bei diesen Ticketpreisen greift eben vor Allem die Elite zu. Auch 50 Cent protzt unübersehbar mit seinen massiven, mit Diamanten besetzten Edelmetall-Ketten, die im Scheinwerferlicht heller strahlen als seine perfekten, weißen Zähne. Vor dem Publikum steht kein Junge aus dem Ghetto, da steht ein millionenschwerer Geschäftsmann, den man gegen gutes Geld auch zum Meet and Greet treffen kann. Dieses Upgrade kostet schlappe 1.300 Euro – oder wie ein Besucher in Berlin anmerkt: „2600 Mal 50 Cent“.

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Mothafuckin‘ P.I.M.P.

Wer so reich ist, ist auch automatisch begehrenswert. Dieses Bild sollen jedenfalls die acht Tänzerinnen, die 50 Cent dabei hat, vermitteln. Lasziv in einem stetig wechselnden Hauch von Nichts, umgarnen die ausgesprochen professionellen Tänzerinnen den Rapper, befummeln sich gegenseitig und spreizen ihre Beine in wollüstiger Erwartung des Über-Mannes, also Curtis James, der hingegen cool und unnahbar in der Mitte und über den Dingen steht. Dieses althergebrachte Rapper-Klischee lockt im Jahr 2023 niemand mehr hinter dem Ofen vor. Nicht einmal das Solo seines Zöglings Jeremih am Klavier kommt ohne Trockensex einer außer Rand und Band geratenen Tänzerin auf dem Flügel aus. Supportact Busta Rhymes hingegen bestreitet sein Set nur mit Sidekick Spliff Star und guess what? Es soll im Nachgang der beste Act des Abends sein.

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Gimme some more!

Überhaupt, Busta Rhymes. Zum Supportact mit zeitlich viel zu knapp bemessenem Slot degradiert, zeigt der mittlerweile 51-jährige der Crowd, dass er noch immer einer der besten Rapper des Planeten ist. Er erscheint, sitzend auf einem Thron, mit strenger Mine. Lange hält es ihn dort aber nicht, er springt auf und macht die Bühne zu seinem Laufsteg. Die langen Rastazöpfe sind zwar ab, doch der irre Blick und die Schnelligkeit, mit denen er seine Verse droppt, die sind noch da. Er nimmt sich Zeit für sein Publikum, genießt den Jubel und hält ihn auch aus. Als Berlin ihm bei „I know what you want“ zu passiv ist, animiert er die Zuschauer:innen und feuert sie an, bis wirklich keine:r mehr sitzt. Die frenetischen Reaktionen quittiert er mit einem diebischen Lächeln. Tänzerinnen oder großen Zinnober? Das braucht Busta nicht. „We don’t use special effects up here, because we ARE the fucking special effects.“

Dennoch, von seinen frühen Hits gibt er nur „Break ya neck“ zum Besten, wie schade. Vielleicht bekommt ihn das deutsche Publikum in Zukunft nochmals als Headliner zu sehen, angeteasert hat er die Berliner jedenfalls.

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The Candy Shop

Doch zurück zu 50 Cent. Der hat mittlerweile auch etliche Kostüm-und Geschmeidewechsel hinter sich und schwebt mal von der Hallendecke (vor P.I.M.P.), taucht aus dem Untergrund auf, weicht behände Lasern aus oder spielt mit seinen zwei Sidekicks sämtliche Rapper-Posen durch. Die Show, die das Berliner Publikum zu sehen bekommt, ist alles anderes als schlampig. 50 Cent gönnt sich eine unfassbar gute Liveband, die prominent erhöht auf den kubistischen Videoleinwänden sitzt. Seine Tänzerinnen sind Vollprofis, die nicht mal bei den eindeutigsten Posen billig aussehen und womöglich sofort beim Zirkus Flic Flac anheuern könnten und für die beiden Breakdancer scheint Gravitation keinerlei Rolle zu spielen. Seine Sidekicks sind präsent, überlassen aber ihrem Chef die volle Aufmerksamkeit. Und 50 Cent? Der ist eben der Pimp, der Chef im Candyshop, der will, dass die Damen an seinem Lollipop licken, um mit ihm anschließend in da Club zu feiern, als sei es ihr Birthday. Mit einer gemischten Tüte Süßes für 50 Cent.

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Hate it or love it

50 Cent liebt das Klischee und das Klischee liebt ihn. Eine pompöse Show, pornöse Tänzerinnen, poppige Band und bombastische Licht- und Videoshow. So muss es auch sein, denn das ist das Wesen der großen Rapstars: nicht kleckern, sondern protzen. Und das zieht 50 Cent durch. Natürlich ist der Jubel bei den Songs wie „In da Club“, „Candy Shop“, „Ayo Technology“ und „P.I.M.P.“ am größten, doch wirkliche Tiefpunkte hat das Konzert nicht. Allerdings ist es auch so überladen, dass das Wesentliche, nämlich die Rapskills und die Musik, recht weit in den Hintergrund treten. Vornehme Zurückhaltung kennt 50 Cent eben nur, wenn es um seine Rap-Parts geht. Im direkten Vergleich gewinnt das Rap-Battle am heutigen Abend haushoch Busta Rhymes. Woo-Haa!