Oasis

(WHAT’S THE STORY) MORNING GLORY? – 30TH ANNIVERSARY EDITION

Big Brother (VÖ: 3.10.)

„Deluxe“-Ausgabe, die dem Blockbuster der Britpop-Könige nicht gerecht wird.

Während Liam Gallagher 2024 seine Solokonzerte noch im Windschatten des 30. Jubiläums des Debütalbums seiner Ex-und-wieder-Band, DEFINITELY MAYBE, bestritt und mit einer Komplettaufführung des Klassikers Fans an die seligen Neunziger erinnerte, kann das Live-Comeback von Oasis nur vor dem Hintergrund ihres gewaltigsten Werks stattfinden: (WHAT’S THE STORY) MORNING GLORY. 22 Millionen Mal weltweit verkauft, Platz drei hinter Queens GREATEST HITS und ABBA GOLD in der Liste der All-Time-Bestseller im UK, wo es auch die Titel als meistverkauftes sowie als meistgestreamtes Album der Neunziger innehält.

Jau, MORNING GLORY war und ist ein kolossaler Erfolg. Und hat vor allem den Test der Zeit bestanden. 703 Wochen hat es bisher in den britischen Charts verbracht, seit 2017 ist es dort durchgehend gelistet. Was wir aus diesen Zahlen lesen: Oasis werden immer wieder von einer neuen Generation für sich entdeckt. Es ist schlicht unmöglich, dass ausschließlich Best-Ager diese Platten heute kaufen. Denn die haben sie doch schon längst. Der beobachtete Altersdurchschnitt auf den Reunion-Konzerten ihrer „Live ’25“-Tour bestätigt dies.

Oasis müssen, momentan auf einer ihrer größten Erfolgswellen reitend, offensichtlich gerade nicht so viel

Eine Wiederveröffentlichung zum 30. Jahrestag (mit eintägiger Verspätung) könnte dennoch ein Freudenfest für Menschen sein, die mit den Gallaghe-Brüdern groß geworden sind. Zauberwort: könnte. Alles kann, nichts muss. Und Oasis müssen, momentan auf einer ihrer größten Erfolgswellen reitend, offensichtlich gerade nicht so viel. Denn was hier als Deluxe verkauft wird (auf Doppel-CD oder Dreifach-LP), ist nur ein Hauch von Bonusmaterial: Zum 2014er-Remaster der Platte gesellen sich ein paar nett anzuhörende „Unplugged“-Demos, die den Songs ihre Stadiongröße nehmen, ohne ihnen aber neue Dimensionen zu geben. Akustisch, ja. Aufschlussreich, eher nein.

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Es ist eben „Champagne Supernova“, nur ohne Hall und mit Wohnzimmer-Akustik. Schön, klar. Aber wer sich erhoffte, tiefer ins Songwriting-Universum von Noel Gallagher eintauchen zu dürfen, findet hier keine Fußnoten. Eher Zitate auf Papierservietten. Daneben stehen der Quasi-Titeltrack „Morning Glory“, das vorab veröffentlichte „Acquiesce“, sowie „Cast No Shadow“ und „Wonderwall“, die ohnehin vorrangig als Akustiknummern wahrgenommen werden. Zum Vergleich: Die Geburtstagsausgabe von DEFINITELY MAYBE kam vergangenes Jahr noch auf 16 Extra-Tracks

Eine verpasste Gelegenheit, um dieses skurrile Kapitel Bandgeschichte endlich zu kontextualisieren

Dabei wäre genug Raum für echtes Zusatzmaterial gewesen. Die 20th Anniversary Edition aus der „Chasing The Sun“-Reihe von 2014 war da deutlich großzügiger ausgestattet – mit sämtlichen B-Seiten, Live-Aufnahmen und verworfenen Demos. 2025 hingegen: Kein einziges Live-Dokument aus der legendären, 100 doch bestimmt zum Teil mitgeschnittenen Konzerte umfassenden Tour, keine Erstveröffentlichung des Eintrags in die „MTV Unplugged“ Serie von 1996 (den Liam spontan schwänzte und Noel zum Frontmann machte). Eine verpasste Gelegenheit, um dieses skurrile Kapitel Bandgeschichte endlich zu kontextualisieren – oder wenigstens hörbar zu machen.

Selbst dem Comic Relief in der Tradition der Ringo-Songs auf Beatles-Alben, „Bonehead’s Bank Holiday“, das bereits 1996 auf der Vinylversion der Platte
als leichtfüßiges Präludium vor dem philosophischen „Some Might Say“ zu hören war, wurde der Weg zurück auf die Tracklist verwehrt. Ein bisschen mehr außer einer EP im Deluxe-Karton hätte es schon sein dürfen. Für Pop-Historiker:innen empfiehlt sich dieses Set also eher nicht und richtet sich so in erster Linie an Hardcore-Fans, die zumindest ihre Freude daran haben dürften, mit dem eigenartig wirkenden Cover auf der Anrichte im Wohnzimmer die Augenbrauen ihrer Gäste in die Höhe zu ziehen.

Besser geht Rockmusik nicht

Analog zum sozusagen entmenschlichten Artwork des Updates von DEFINITELY MAYBE ist auf der Neufassung des Nachfolgers also weder DJ Sean Rowley zu sehen, der Brian Cannon, dem Designer des Albumcovers und des legendären Oasis-Logos, begegnet, noch Produzent Owen Morris, der sich im Hintergrund scherzhaft die Mastertapes des Albums vors Gesicht hält, sondern einfach nur die Straße, auf der sich das alles zugetragen hat: die Londoner Berwick Street, Mitte der Neunziger für ihre zahlreichen Plattenläden bekannt.

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Um abschließend noch kurz auf die Originalsongs des Albums einzugehen: Die sind und bleiben, wie schon oft (beileibe nicht nur) auf diesen Seiten festgehalten, natürlich perfekt. Besser geht Rockmusik nicht. Für diese zehn Songs und die zwei namenlosen Snippets aus dem Instrumental „The Swamp Song“ kann es also nur volle Punktzahl geben: 6 Sterne. Für die vertane Chance einer „biblical“ Geburtstagsparty allerdings nur

Diese Review erschien zuerst im Musikexpress 11/2025.