Jahresrückblick

Die 50 besten Platten des Jahres 2018


Wir haben abgestimmt und die (subjektiv) einzig wahre Liste erstellt: Das sind die 50 Favoriten der ME-Redaktion und somit die besten Alben des Jahres 2018. Ha!

Platz 29: Low – DOUBLE NEGATIVE

Sub Pop/Cargo (VÖ: 14.9.)
Da ist zu viel Musik und zu viel schlucken wir davon hinunter und scheiden es aus, ohne groß zu verdauen. Spannende Alben gerade von Bestandskräften wie John Grant oder Yo La Tengo sind zum Jahresende fast schon wieder vergessen. Auch das zwölfte Werk von Low aus Duluth, Minnesota, wäre so ein Kandidat, hätte es sich nicht so dermaßen in uns festgefressen. Dank der Mithilfe des jungen Produzenten BJ Burton (Bon Iver) hat sich das 1993 gegründete US-Trio zu einem Expeditionsteam entwickelt, das im Schattenreich des Rock immer weiter dorthin vordringt, wo Zerstörung und Auflösung drohen. Oliver Götz

Platz 28: Robyn – HONEY

Konichiwa/Embassy One (VÖ: 26.10.)
Während diese Herzenskämpferin vom Dancefloor zuletzt nur noch sporadisch an der Seite von 1-A-Pop-Lieferanten wie Röyksopp und Metronomy aufgetaucht war, errichteten ihr Gesinnungstöchter wie Lorde einen eigenen Altar. Robyns Comeback-Album blieb dann leider nur ein Kritiker-Erfolg (zwei Wochen in den UK-Top-100, nur eine in Deutschland): Die Jungen tanzen lieber zu Ariana oder Selena, die Alten zu Oldies. Dabei liegt gerade darin die Stärke dieser Platte: Sie übersetzt 90s-Housepop und -Spätdisco in today’s cars und homes und verteidigt das Recht auf Persönlichkeit in einem Genre, das sonst einen **** darauf gibt. Oliver Götz

Platz 27: Nils Frahm – ALL MELODY

Erased Tapes/Indigo (VÖ: 26.1.)
Eigentlich ist Nils Frahm ein ziemlicher Punk. Wenn er elektronische Musik erzeugt, malträtiert er Instrumente teils bis zur völligen Unkenntlichkeit – Neo-Klassik stellt man sich nun wirklich anders vor. Sein siebtes Album hält jedoch, was der Titel erahnen lässt: Es geht um die Essenz der Melodie. Frahm gräbt sie mühsam zwischen Ambient und Techno aus, ohne dabei den Feinsinn fürs Spielerische zu verlieren. Ihm zuzuhören, ist beinahe beruhigend, weil er sanft daran erinnert, dass der ungewöhnliche Weg oft der einzig befriedigende ist. Jördis Hagemeier

Platz 26: Isolation Berlin – VERGIFTE DICH

Staatsakt/Universal (VÖ: 23.2.)
„Wenn du mich suchst, du findest mich am Pfandflaschenautomat.“ Tobias Bamborschke beginnt diese Platte mit einer Zeile, die zeigt: Der Mann hat sich schon auf dem zweiten Album seiner Band eine Art Texterkennbarkeit draufgeschafft, die man sonst nur von Sven Regener kennt. Im weiteren Verlauf bauen er und seine Kollegen ihren Sound aber behutsam aus und auf, reichern ihren Dark-Romantic- Kneipenrock mit Wave, mit Punk, mit Kunstlied an, um am Ende dort anzukommen, wo sie schon immer waren: bei distanzierter, aber herzlicher Ehrlichkeit. Eine große Nachtmusik, die gut ankommt: Platz 30 in Deutschland, eine Verbesserung um 39 Ränge zum Vorgänger. Jochen Overbeck

Platz 25: Beach House – 7

Bella Union/[PIAS] Coop/Rough Trade (VÖ: 11.5.)
Es ist nur den Königinnen und Königen des Dream Pop vorbehalten, das leicht angestaubte Genre mit der altbewährten Watte der Gleichförmigkeit auszustaffieren, sodass es zumindest noch eine Weile schön warm hält. Das Duo Beach House hat mit 7 erkannt, dass genau diese Schmusigkeit weiterhin eine der wichtigsten Säulen seines nebulösen Sphären-Pop ausmacht. Ein Sound, so schön wie sonst nur hopsende Delfine auf dem Weg in den Sonnenuntergang. Jördis Hagemeier

Platz 24: Ezra Furman – TRANSANGELIC EXODUS

Bella Union/[PIAS] Coop/Rough Trade (VÖ: 9.2.)
Zündschlüssel drehen, ein letzter Blick in den Rückspiegel und dann nichts wie weg – Ezra Furman schreibt mit TRANSANGELIC EXODUS den perfekten Roadtrip-Soundtrack. Dabei ist das romantisierte Ausreißen im Kern ja meistens vor allem: eine Flucht. In Ezra Furmans Fall die vor einer engen Gesellschaft, die einen zarten Jungen mit Lippenstift nicht erträgt. Mal klagt er an „This world is no place“, mal schreibt er empowernde Hymnen für die Unterdrückten. Ein rumpeliger Weirdo-Rock’n’Roll-Entwurf, der das Prädikat „authentisch“ wirklich verdient hat. Laura Aha

Platz 23: Perel – HERMETICA

Perel

DFA/[PIAS] Coop/Rough Trade (VÖ: 20.4.)
Hildegard Knef, Nina Hagen oder Gudrun Gut – der lakonisch verhauchte Gesang von Annegret Fiedler aka Perel ruft Erinnerungen an Zeiten wach, in denen sie selbst noch längst nicht auf der Welt war. Soundmäßig bedient sich die gebürtige Sächsin als DJ und Produzentin so gut an der retrofuturistischen 80s-Synthie- Grabbelkiste, dass sie mit ihrem Debütalbum HERMETICA gleich mal als erste Deutsche auf dem New Yorker Elrektroniklabel DFA Records landete. Definitiv eine der spannendsten und vielversprechendsten Neuentdeckungen des Jahres! Laura Aha

Platz 22: Snail Mail – LUSH

Matador/Beggars/Indigo (VÖ: 8.6.)
Lindsey Jordan, 18 Jahre alt, ist nah am Hörer. Die Stimme steht auf LUSH immer an erster Stelle, was aber nicht bedeutet, dass die Instrumentierung nicht mit Akkuratesse vorgenommen wurde: Snail Mail schreibt Lieder, die man im Indie-Rock der 90er-Jahre verorten mag, bei Liz Phair oder den Breeders, die aber sehr gegenwärtig von Teenage Angst, gebrochenen Herzen und all things inbetween berichten. „Did things work out for you or are you still not sure what that means?“, fragt sie in „Stick“, dem besten Song des Albums. Ersteres, Lindsey. Jochen Overbeck

Platz 21: Kurt Vile – BOTTLE IT IN

Matador/Beggars/Indigo (VÖ: 12.10.)
In „Loading Zones“ erzählt uns Kurt Vile, wie er sich im Leben durch Parkverbote schmuggelt, und das passt schon: Es sind seit Anfang an Bordsteingeschichten, die Vile, vor vielen Jahren einmal bei The War On Drugs, erzählt, angesiedelt in Philadelphia, gesehen aus einem alten Auto heraus. BOTTLE IT IN macht da keine Ausnahme, liefert 13 verwaschene Songs, die sich mal als reine Pop- Nummern geben und nach drei, vier Minuten im Ziel angekommen sind, mal im Jam münden und Tom Petty genauso im Referenzkasten haben wie J Mascis und Yo La Tengo. Jochen Overbeck

Platz 20: Serpentwithfeet – SOIL

Secretly Canadian/Cargo (VÖ: 8.6.)
Wie ein Prediger der queeren Liebe breitet Josiah Wise auf SOIL seine Vision von Sex, Spiritualität und dem wunderbar quälenden Zustand des Verliebtseins aus. Es sind Hohelieder in Form von weirden Popsongs, die klingen, als sei Perfume Genius in die experimentellen Gefilde von Arca hinabgestiegen. Begleitet vom Ächzen der Drum Machines spielt er mit ekstatischem Falsett immer wieder von Neuem Gospel-Formen durch und denkt dabei über das quasi-religiöse Potenzial homoerotischer Anbetung nach. Ein mutiges Debüt, das vor lauter Intimität klebt und trieft. Annett Scheffel

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ryan