Kritik

Felix Lobrechts neues Comedy-Special „Hype“ auf Netflix: Don’t believe the Hype


Netflix rüstet auf. Wie schon in den USA kauft der Anbieter Comedians ein. In Deutschland ist ab sofort Felix Lobrechts „Hype“ als Comedy-Special verfügbar. Das Stand-up wird sich bei seinen Fans großer Beliebtheit erfreuen. Ob es diesen Hype wirklich braucht, ist eine andere Frage.

Felix Lobrecht ist derzeit kaum zu umgehen. Sei es sein Podcast „Gemischtes Hack“ mit Comedy-Autor Tommi Schmitt, eine Buchverfilmung, Interviews. Bis zum heutigen Erfolg war es ein langer Weg, Lobrecht tourte jahrelang auf kleinen Bühnen, machte Poetry Slams. Er verbindet in seinem Humor Proleten-Attitüde, ausgebildet und gestählt in Berlin, mit absurden Alltagserfahrungen. Ihm liegt dabei das Herz auf der Zunge. Er laufe nun in Gucci-Klamotten rum, weil er als Jugendlicher immer wollte, und nun Bock (und die Mittel) dazu habe.

Lobrecht eröffnet Hype mit Behindertenwitzen, das Niveau hält er daraufhin immerhin. Babys könnten machen was sie wollten, auch grapschen, Lobrecht befürchtet, für immer „junggeblieben“ zu sein, mokiert sich über WGs, in denen weder Kaffeemaschine noch Klo funktionieren. Gen Ende widmet er sich Lehramtsstudentinnen und deren Körper sowie der „Männerstadt“ Aachen, in der jeder Clubabend wie Silvester in Köln sei.

Felix Lobrechts neues Comedy-Special „Hype“ auf Netflix: Don’t believe the Hype

Immerhin fühlt sich sein Sprechduktus einigermaßen natürlich an. Er baut nicht klassisch eine Pointe in ausgedachten Setups auf, sondern schießt wild um sich. Ungeachtet der Qualität. Das passt zur Smartphone- und Instagram-Generation, die ungeduldig stets unterhalten werden muss. Er zielt nicht auf Gags, sondern auf möglichst viele „Unterwegswitze“, wie Lobrecht unlängst den „Stern“ wissen ließ.

Politisch noch viel zu lernen

Überhaupt ist es ein vielsagendes Interview, das Lobrecht da gab. Äußert er sich politisch, wird deutlich, wieso er nach acht Jahren noch immer nicht fertig studiert hat (Politikwissenschaften, einst in Marburg, mittlerweile wohl als Karteileiche in Potsdam). Linke seien überangepasst, durch Political Correctness gebe es nur noch Extreme, nur rechts oder links. Lobrecht als Hufeisentheoretiker. „Wir“, wen auch immer er damit meint, seien kein starkes Team, sondern man „ficke sich gegenseitig“.

Comedians als politische Akteure glänzen selten. Dieter Nuhr ist da nur ein trauriges Beispiel. Mit dem Rechtsausleger teilt Lobrecht mehr als vermutet: Bei 1Live ließ er seine „Hackis“, wie sich die Fans unironisch nennen, wissen, dass er mit 14 nicht an die Umwelt wie FFF, sondern an Titten gedacht habe. Wenig verwunderlich, dass „Feuchtgebiete“-Regisseur David Wnendt Lobrechts Buch „Sonne und Beton“ verfilmt.

Immerhin sprachen sich er und Podcast-Kompagnon Schmitt dieses Jahr gegen Corona-Verschwörungstheorien aus. Kurz darauf bedrohten anonyme Spinner die beiden mit dem Tod. Die „Hackis“ können unbesorgt sein, ihr Felix Lobrecht wird sich wohl kaum in die Riege verwirrter Männer à la Wendler oder Xavier Naidoo einreihen.

Laber nicht

„Gemischtes Hack“ gilt als erfolgreichster Podcast Deutschlands. Allzu viel Bedeutung sollte man dem nicht beimessen. Einerseits gilt für die fancy Podcasts, was sonst auch in Medien gilt: Männer erklären uns die Welt. Im Wesentlichen springen etablierte Medien wie die ZEIT auf den Zug, oder mittelalte Typen labern drauf los. Das haben diese vor 20 Jahren auch gemacht, in Trinkhallen, am Stammtisch. Freilich hatte damals niemand das Bedürfnis, sein Geschwätz aufzuzeichnen und hochzuladen.

Lobrecht ist zugute zu halten, dass er keine peinliche Figur im Stil eines Atze Schröder erschaffen hat, dafür reicht schon er selbst. Er hält auf den Alltag recht unverblümt mit Berliner Attitüde drauf, ist online omnipräsent, „unterhält“ wöchentlich im Podcast. Doch kaum ein Gag zündet. Überraschen sollte das nicht, es hat sich schon in den Jahren vor „Hype“ angedeutet.

„Was kann man nur gegen Schwule haben? Also bei Ausländern, klar, da kann ich die Argumente nachvollziehen“, sagte er etwa 2019 in Bonn. Nein, viel mehr als ein Mario Barth für Akademiker*innen wartet mit „Hype“ nicht auf. Immerhin mit etwas mehr Authentizität, besserem moralischen Kompass und mehr Internet.

Netflix selbst ist der einfachste Weg, sich dem „Hype“ zu entziehen. Schließlich sind zahlreiche amerikanische Stand-up-Specials von etwa Dave Chappelle online.

Das 60-minütige Comedy-Special „Hype“ mit Felix Lobrecht ist seit 4. November 2020 auf Netflix im Stream verfügbar