„Ich war nie ein Slacker“


Wie Beck wurde, was er ist.

Popstars, besagt ein beliebtes Klischee, kommen meist aus der Arbeiterschicht. Die Wahrheit ist allerdings oft ein bißchen bunter. Zum Beispiel auch im Fall von Beck: Becks Vater, David Campbell, ein reisender Musiker, trifft eines Tages in Los Angeles auf Bibbe Hansen. Bibbe, Tochter des legendären Fluxus-Künstlers AI Hansen, hat schon einiges hinter sich. Zum Beispiel war sie der jüngste Star in Andy Warhols Factory und spielte mit 13 eine Hauptrolle im Warhol-Film „Prison“. Bibbe und David heiraten und machen ein Kind. Beck David Campbell entschlüpft seiner Mama am 8, Juli 1970 in der elterlichen Behausung in Los Angeles. Beck David Campbell wächst auf in einem vornehmlich von Schwarzen und Latinos bevölkerten Viertel – umgeben vom Freundeskreis seiner Mutter Ider Vater verläßt beide, als Beck drei Jahre alt ist), einer offenen Gemeinschaft aus Kreativen und Lebenskünstlern. „Ich lebte mit Leuten, die sich für die Dinge des Lebens interessierten. Wenn ich mich mit irgendwas beschäftigte, sagte nie jemand: .Mach das nicht, das ist dumm.‘ Es war okay, zu entdecken.“ Mit 14 verläßt er gelangweilt die Schule und bildet sich selbst mit französischen New-Wave-Filmen und der Musik alter Blues-Legenden wie Mississippi John Hurt und Leadbelly. Draußen auf der Straße erlebt er die Anfänge des HipHop und die Rhythmen der Latinos. Hier wird er geprägt – zwischen Folk, Blues und HipHop. Mit 17 besucht er seinen Großvater Al Hansen in Deutschland und bleibt ein paar Monate. Opa und Enkel verstehen sich prächtig. Beck ist so begeistert von dem alten Kreativitätskoloß, daß er sich fortan nur noch Beck Hansen nennt. Zurück in L.A. hält er sich mit schlechtbezahlten Jobs über Wasser, bis er vom Wandertrieb befallen nach New York reist. Mit dabei: seine Freundin, eine Gitarre und acht Dollar. Kaum angekommen, haut sein Mädchen ab, und Beck ist allein in der großen Stadt. Aber er findet Anschluß an die Anti-Folk-Szene und spielt, wann und wo man ihn läßt. Mehr als ein Jahr später kehrt er zurück nach L.A. „Es war hart in New York ohne Geld, Essen und einen Platz zum Schlafen. Irgendwann hatte ich alle meine dortigen Freunde aufgebraucht. Jeder in der Szene war genervt von mir.“ Zurück in L.A. verdingt er sich als Hot-Dog-Verkäufer oder sortiert für vier Dollar die Stunde die Pornofilme einer Videothek. Abends spielt er in Clubs und Bars. Die Leute sind irritiert von dem schmächtigen Buben und seiner irren Mischung aus Folk, HipHop, Blues. Mariachi und Country. Daß er auf der Bühne Star-Wars-Masken trägt und an seiner Gitarre rumkokelt, trägt wenig zum besseren Verständnis bei. „Lange Jahre hat sich einfach niemand für meine Musik interessiert. Ich begann mich daran zu gewöhnen“, erinnert sich Beck heute. Doch 1991 geraten die Dinge in Bewegung. Die Produzenten Tom Rothrock und Carl Stephenson werden auf Beck aufmerksam. Beck nimmt erste Stücke auf. Es erscheinen einige Singles und Kassetten auf Mini-Labels – und 1993 die Single „Loser“ in einer 500er Auflage. Das Stück ist ein 1A-Ohrwurm aus nöligen Raps und luschigem Folk und eine kleine, fiese Parodie auf in den Tag hineinvegetierende Slacker. Sie wird zum Hit – und Beck als Sprecher der Slacker-Szene mißverstanden. „Ich war nie ein Slacker“, stellt Beck klar. „Ich hatte gar keine Zeit zum Faulsein. Ich mußte immer schlechtbezahlte Arbeiten machen, um am Leben zu bleiben.“ 1994 erscheint MELLOW GOLD beim Majorlabel Geffen. Die Kritiker jubeln, die Kundschaft bleibt zurückhaltend. Ein Jahr später stellt Beck auf den Lollapalooza-Festivals neue Lieder vor und wird ausgebuht. Überproduzent Rick Rubin rät ihm, die neuen Stücke nicht zu veröffentlichen. Beck scheißt drauf, ODELAY erscheint im Juni 1996 und knallt auf Platz 16 der Billboard-Charts. Seitdem ist Beck unbesiegbar. Ein Musiker mit Narrenfreiheit, ein unberechenbarer Freigeist zwischen Folk, HipHop, Blues, Rock und Casio-Pop, der je nach Laune sanfte Folkmusik macht Imutations und SEA change) oder irrwitzigen Pop from outer Space (MELLOW GOLD, ODELAY, MIDNIGHT VULTURES und GUEROI, der mal mit seinem Opa ein Kunstbuch kreiert (PLAYING WITH MATCHES), auf der Bühne in die absonderlichsten Kostüme klettert, bei einem Underground-Film die Hauptrolle spielt IsouthlanderI, mit allen möglichen Musikern arbeitet [The Flaming Lips, Thom Yorke, The Dust Brothers, William Orbit, Dan the Automator, Marianne Faithfull und Air) und überhaupt und immer macht und macht und macht, was zum Nachmachen anregen sollte.