Konzertbericht

Katy Perry in Berlin: Verschluckt von der eigenen Show


Die Hits waren da, doch gingen gemeinsam mit dem Popstar unter.

Katy Perrys Bühnenshow wirkt so, als hätte sie sich ein fieser Zyniker ausgedacht. Ein Popmusik und Popstars hassender Mensch, der jegliche Elemente dermaßen überdreht, bis sie dem Publikum zum Hals raushängen. Es ist eine Show, die Katy Perry auf ihrem eigenen Konzert wahnsinnig unwichtig erscheinen lässt, weil ihre Songs und ihr Gesang oft nicht gegen den Krimskrams ankommen, der um sie herum passiert.

Katy Perry im Wandel der Zeit: So hat sich der Megastar verändert
Die Tänzerinnen tragen besonders knappe Hotpants und besonders bescheuerte Kopfbedeckungen, Katy Perry selbst Outfits wie aus einem Trickfilm, von der Decke der Mercedes Benz Arena hängen am Mittwochabend Planeten, die Konfetti-Kanone macht alles noch bunter. Grell erleuchtet ist die Halle obendrein, weil das Centerpiece der Bühne ein gigantisches leuchtendes Auge ist. Das viele Licht ist keine gute Idee, die Leute müssen sich gegenseitig beim Nicht-Tanzen sehen.

Verheizte Hits

„Witness“ heißt Perrys aktuelle Tour, das gleichnamige Album hat wenige Hits abgeworfen, weshalb der Live-Zirkus nun umso opulenter ausfallen muss. Zu Beginn der Show klappt das noch ganz gut: Das gigantische Auge öffnet sich, Perry kommt auf einer schwebende Installation in die Halle, trägt ein rotes Outfit, das Popdiva, Sex und Arroganz ausstrahlt. Der Glamour reicht, um sogar die belanglosen Songs des neuen Albums wirken zu lassen.

Starker Anfang: Katy Perry kommt in die Halle geflogen.

Doch dann sind da plötzlich Tänzerinnen mit Fernsehern auf dem Kopf auf der Bühne, sie wackeln mit dem Arsch oder laufen Perry schlichtweg hinterher, sobald sie den Steg zur Mitte der Arena betritt. Dazu Fabelwesen im Hintergrund, ein Pyro-Effekt, das von der Bühne auf die Zuschauer glotzende Auge wechselt die Farbe. Welcher Song läuft eigentlich gerade? Es scheint selbst der Sängerin egal zu sein. Perry inszeniert bei ihrem Konzert in Berlin alles, nur nicht ihre Musik.

Das eigentlich äußerst tanzbare „Hot N Cold“ wird back to back mit einer gekürzten Version von „Last Friday Night“ abgehandelt und als Fan fragt man sich schon, warum ausgerechnet zwei der größten Hits so verknappt und verheizt werden. Die Antwort folgt direkt: Das beim Super Bowl 2015 achso witzige Hai-Maskottchen hat anscheinend einen dermaßen großen Kultstatus erreicht, dass Perry sich nun mehrere Minuten damit auf der Bühne zanken muss. Die miese Comedy-Nummer zerreißt das Konzert in einem Moment, in dem sich die Leute gerade an den wirklich guten Songs der Sängerin hochtanzen wollen, selbst wenn diese lieblos vorgetragen werden.

Plötzlich wird Basketball gespielt

Beim Super Bowl 2015 wurde der linke Hai zum Star. Und hat jetzt seinen eigenen Comedy-Part auf Konzerten.

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Auch wenn die Show viel zu aufgeblasen ist, die Lieder selbst oft im Hintergrund verschwinden: Die Menge ist willig, Perry ist es in ihrem Kampf gegen das Bühnenbild auch. Doch anstatt das Publikum die großen Hits ihrer Karriere auskosten zu lassen, nimmt sie sich mehr Zeit für Lobhudeleien auf Berlin („tolle Fahrradfahrer, hübsche Menschen“), den bereits erwähnten Hai-Sketch und eine gefühlt ewig andauernde Szene, bei der ein Mann aus dem Publikum einen lächerlich großen Basketball in einen lächerlich großen Korb werfen muss.

Die Menge filmt viel mit den Smartphones, was soll sie auch sonst machen? Die Show befiehlt, niemals länger als für einen seit Jahren bekannten Hit zu tanzen, sondern gefälligst die überdimensionalen Lippen zu bewundern, die bei „I Kissed A Girl“ über der Bühne schweben. Katy Perry wird von den Lippen verschluckt, später auch noch einmal von einer Venusfliegenfalle aus Plastik. Mehr Sinnbild für diese Show geht nicht.

Stefan Hoederath Redferns
Getty Images