Loyle Carner live in Berlin: Wenn das Velodrom zum kuscheligen Wohnzimmer wird
Ein Konzertabend voller Intimität und Emotion: Loyle Carner verwandelte mit persönlichsten Geschichten das Berliner Velodrom in sein Zuhause.
Loyle Carner besuchte die Hauptstadt und spielte eine Show im Velodrom. Das haben wir uns nicht entgehen lassen wollen! Hier sind unsere Top-5-Beobachtungen des Abends.
1. Navy Blue: Die Auswahl des Support-Acts sitzt
Loyle Carner bewies gleich zu Beginn seines Berlin-Gigs am Mittwochabend, 15. Oktober, musikalisches Feingefühl. Mit der Wahl von Navy Blue als Support-Act zeigte der Brite ein gutes Gespür für die Vorlieben seines Publikums. Die Musik des US-Amerikaners stellte sich tatsächlich als eine gute Ergänzung des „hopefully !“-Albums heraus.
Navy Blue, mit bürgerlichem Namen Sage Elsesser, verstand es mühelos, einen entspannten Vibe für den Abend zu schaffen. Ruhige, aber dennoch groovige Beats, kombiniert mit tiefgründigen, gesellschaftskritischen Texten und leuchtend-blauem Scheinwerferlicht, versetzten das Velodrom in eine cozy Grundlaune. Mit seiner lockeren und positiven Art gelang es Elsesser, die Fans abzuholen und auch zu aktivieren.
Für gleich zwei Songs holte er sich die Unterstützung des Publikums. In „1491“ sorgte der Zwischenruf „Fuck Christopher Columbus“ zunächst für Zurückhaltung – bis Navy Blue mit einem schmunzelnden „That’s not everyone in this room“ nachlegte. Beim nächsten Durchlauf hallte die Line lautstark durchs gesamte Venue und blieb bis zum Ende des Tracks präsent. Für seinen letzten Song bat er die Menge um noch mehr Unterstützung – schließlich sei er als Rapper kein guter Sänger. Gesagt, getan: Das Konzert verwandelte sich kurzzeitig in ein Singalong, das eine intime, aber kraftvolle Stimmung erzeugte – und diese hielt den ganzen Abend über an.
2. Pünktlichkeit ist König
Kurze Wartezeiten – eine in der Rap-Konzertwelt oft genug seltene, aber umso schönere Erfahrung. Während Mega-Stars wie Drake oder auch Nicki Minaj ihr Publikum schon mal um die 45 Minuten warten lassen, ohne das Thema anzusprechen, lief bei Loyle Carner alles anders.
Bei seiner „hopefully !“-Show hielten sich sowohl Voract als auch Hauptact exakt an den Zeitplan. Navy Blue betrat um vier Minuten nach acht die Bühne und spielte zehn Songs. Um 20:30 Uhr übernahm die Umbaucrew, um die Stage für den Main Act vorzubereiten. Nach einer halbstündigen Pause erschienen Loyle Carner und seine Band unter lautem Jubel und Klatschen – und brachten das Velodrom für rund eine Stunde ordentlich zum Kochen.
3. Venue und Bühnen-Design ergänzen sich perfekt
Das UFO im Velodrom war gut gefüllt, aber die Show war insgesamt nicht ausverkauft – ein Umstand, der dem Publikum genug Raum ließ, um richtig ausgelassen zu tanzen und die Songs so voll auszukosten. Und dazu der gelungene Vibe-Check: Die Venue erstrahlte bei schnelleren, Upbeat-Tracks in warmem Orange, während ruhigere, nachdenkliche Stücke in leuchtendem Blau gehalten waren.
Der minimalistische Bühnenaufbau – zwei große Lautsprecher-Boxen, Scheinwerfer, Instrumente und Mikrofone – passte ideal zur Location. Dunkle Vorhänge rahmten die Bühne, auf denen die Silhouetten der Band im Lichtspiel sichtbar wurden. Highlight des Velodroms blieb die futuristische Deckenverzierung, die die Atmosphäre des Gigs unterstrich. Einfach alles ging hier Hand in Hand.
4. Loyle Carner liefert einfach alles
Da blieben keine Wünsche offen: Loyle Carner spielte 15 Songs und zwei Zugaben. Die Setlist bot eine ausgewogene Mischung aus ruhigeren Tracks und schnelleren Nummern – eine Balance aus alten Fan-Favoriten und neuen Hits. Der Künstler verstand es, die Crowd zu unterhalten, zu fordern und eine persönliche Verbindung aufzubauen. Kleine Anekdoten – etwa, dass er mit 17 Jahren das erste Mal in Berlin war und aus dem Unterricht geworfen wurde, weil er zu laut war – machten ihn nahbar.
Für den Song „purpose“ holte der Familienvater seinen Supportact Navy Blue erneut auf die Bühne. Die beiden setzten sich nebeneinander und sangen zueinander – die große Bühne wirkte plötzlich wie ihr Wohnzimmer. Man hatte das Gefühl, zwei enge Freunde bei einem tiefgründigen Gespräch zu beobachten. Für das Publikum war es ein Leichtes völlig im Moment zu versinken.
5. Das besondere Ende, der einzigartige Carner
Anstatt der üblichen zwei bis drei Konzert-Zugaben bot Loyle Carner ein unkonventionelles Finale. Er kündigte den letzten Song „hopefully !“ an und performte ihn mit seiner Band. Nach tosendem Applaus kehrte er noch einmal allein auf die Bühne zurück und bat das Publikum um emotionale Unterstützung – ohne Band, sichtlich nervös. Statt eines weiteren Songs trug er ein Gedicht im Stil eines Raps vor, das die Lehren aus seinem bisherigen Leben zusammenfasste. In der Crowd wies man sich gegenseitig darauf hin, auch richtig still zu sein, sodass man dem einzigartigen Mann auf der Bühne auch komplett folgen konnte. Denn das wollte man so, so dringend.
Fazit: Was für ein Abend! Was für eine Show! Loyle Carner präsentierte sich als nahbarer, bodenständiger Künstler – eine erfrischende Abwechslung zu Megastars, die sich gerne ein bisschen zu wichtig nehmen.



