Randy Newman: Berlin, Kammermusiksaal der Philharmonie


„Im Showbusiness haben wir ein paar einfache Regeln“, schnarrt der graumelierte Grantier und blickt düster ins Dunkel der Publikumsreihen. Dabei kann Randy Newman kaum seine Freude verbergen, ein Opfer gefunden zu haben, über das er jene Mischung aus pointiertem Spott und galligem Humor ausschütten kann, die seine Songs zu Perlen der kunstfertigen Despektierlichkeit macht. „Im Showbusiness spielen wir erst ein paar schnelle Nummern, dann kommen Balladen und dann geht es mit schnellen Songs weiter. Daher wäre es schön, wenn Sie aufhören könnten, meine Balladen zu ruinieren, indem Sie Ihr Geknipse auf die lauten Songs beschränken.“ So kennt man Randy und so muss man ihn einfach lieben: Der Mann, der für einen guten Song seine Großmutter verkaufen würde, verhilft auch einem Fotografen zu den peinlichsten 15 Sekunden seines Lebens, wenn er damit die Heiterkeit seines Publikums kitzeln kann. Das Messer noch einmal in der Wunde drehend, intoniert er seinen Hit: „Don’t want no Short people round here.“ – „Es hat sich nie besser angefühlt“, murmelt er danach. Tatsächlich aber empfindet der Meister ob der Störung echten Zorn, denn der einsame Pianist Newman gastiert in den Hallen des Kammermusiksaals, um zu demonstrieren, dass seine Kunst eine ernste und hohe ist – auch wenn man sie gemeinhin unter „Pop“ subsumiert. Für Newman aber ist es einfach die unterhaltsamste Form, in der man eine Kurzgeschichte, eine Charakterstudie des Abseitigen präsentieren kann. Als Erzähler schlüpft er in unterschiedlichste Rollen und Charaktere. Randy ist wahlweise Gott, die Summe aller bigotten Südstaaten-Rednecks, ein Polit-Theoretiker mit Hang zur Problemlösung mittels A-Bombe oder ein Sabbergreis, der beim Telefonat mit seiner jungen Geliebten Contenance und Würde fahren lässt. Es gibt keine Wunde in der Psyche der selbst ernannten großartigsten Nation der Welt, in die Newman nicht seine verbale Salzsäure träufeln würde. Selten, aber intensiv sind die Augenblicke, in denen Newman Einblicke in sein eigenes Seelenleben gewährt. So in der Ballade „I Miss You“, in der er seine erste Frau um Verzeihung dafür bittet, sie sitzen gelassen zu haben. Doch selbst hier denkt Newman an die sarkastische Brechung der Idylle: „Ich bin glücklich mit meiner zweiten Frau, aber ich wollte mal sehen, was passiert, wenn ich meiner ersten nachträglich ein Liebeslied schreibe.“ Was stets passiert, wenn Randy Newman einen Song schreibt: es entsteht große und doch ungezwungene Kunst.