50 Jahre HipHop

Queen Latifah, Tic Tac Toe & Nicki Minaj: Die prägendsten Rapperinnen


Zum 50-jährigen Jubiläum des HipHops schauen wir uns dessen Geschichte aus der weiblichen Perspektive an

Anlässlich des 50. Jubiläums zelebrieren wir nicht nur das Genre des HipHops, wir werden auch nostalgisch. Wie bei jedem Geburtstag blickt man zurück und lässt die vergangenen Jahre Revue passieren. Dabei dürfen nicht die weiblichen MCs der Szene fehlen. Rapperinnen genießen auch heutzutage noch nicht das gleiche Ansehen oder erhalten dieselben Chancen wie ihr männliches Pendant. Dennoch hat sich die weibliche HipHop-Szene in den letzten Jahren stark verändert. Viele Rapperinnen wie Loredana, Juju, Shirin David, Katja Krasavice und Nura, dominieren mittlerweile die deutschen Charts und Female Rap scheint weiterhin zu wachsen. Dennoch gab es Wegbereiterinnen, die sowohl im US-Rap als auch im Deutschrap viel für Frauen erkämpft haben. Sei es, sich den eigenen Körper durch Hypersexualisierung wieder anzueignen, dem gesellschaftlichen Rollenbild der stets höflichen Frau entgegenzusetzen oder gegen Body- und Slutshaming auszusprechen. Wir haben uns die Anfänge des HipHops bis heute angeschaut und einige Rapperinnen porträtiert, die die Szene nachhaltig geprägt und verändert haben.

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Missy Elliott und Queen Latifah sorgen für weibliches Selbstbewusstsein

Ende der 80er und 90er Jahre bestand die HipHop-Szene überwiegend aus Männern, da Rap von der Gesellschaft als maskulin interpretiert wurde und Rapperinnen oftmals kaum eine Plattform erlangten. Einige weibliche HipHop-Künstlerinnen kämpften sich allerdings tapfer durch. Zwei, die es trotz der Hindernisse sogar schafften einen Ikonen-Status zu erlangen, waren Queen Latifah und Missy Elliott. Sie prägten das Game nicht nur mit ihrem Erfolg, sondern auch durch die Messages, die sie in ihren Raptexten über und an Frauen vermittelten. Dennoch machten sie dies teils auf verschiedene Art. Queen Latifah schoss zwar auch ordentlich gegen weibliche Rap-Rivalinnen, doch mit den selbstbewussten Lines sorgte sie nicht nur dafür, sich selbst bestärkt zu fühlen. Sie lebte den Frauen vor, dass es in Ordnung ist, stolz auf sich zu sein. Dabei nahm die 53-Jährige kein Blatt vor den Mund, wie in „Who you callin’ Bitch?“, und erklärte bereits 1989 in „Ladies First“, dass man Frauen respektieren muss.

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Auch Missy Elliott setzte sich mit ihrer Musik den männlichen Kollegen und deren Rollenvorstellungen entgegen, in denen Frauen nur als Sexobjekte dienten. Sie emanzipierte Ende der 90er-Jahre den Rap und sprach über Sex aus weiblicher Sicht. Dabei spielte die Frau nicht die übliche passive Rolle, sondern hatte ebenfalls das Recht einzufordern. Einer ihrer bekanntesten Tracks „Work It“ ist eine Hommage an die weibliche Selbstbestimmung und konfrontierte das Vorurteil, dass Frauen nicht ihre Sexualpartner austauschen dürften, ohne als „B**ch“ betitelt zu werden: „You do or you don’t or you will or you won’t ya/Go downtown and eat it like a vulture“. Er soll zudem auf die Arbeit von Sexarbeiterinnen verweisen und den Beruf enttabuisieren. Ob dies aber tatsächlich der Fall ist, bestätigte oder negierte die Rapperin nie. Letztendlich repräsentierte Missy Elliott ein Frauenbild, welches sich dem patriarchalen entgegensetzte. Eins, in dem sich die Frau nicht für von Männern vorgegebenen Verpflichtungen aufopfert, sich dementsprechend kleidet, benimmt oder auftritt. Es wurde eine Darstellung der Frau entworfen, die ihre Meinung sagen darf, und die durch Rapperinnen wie Missy Elliott und Queen Latifah den Weg in den Mainstream-Rap fand.

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Lil’ Kim und Foxy Brown: Durch Hypersexualisierung zur Wiederaneignung des weiblichen Körpers

Ende der 90er-Jahre durchmischten Lil’ Kim und Foxy Brown ordentlich die HipHop-Szene. Denn wie bereits erwähnt, war es zu dieser Zeit für Rapper üblich, über Themen wie Sex zu sprechen. Zog sich eine Frau in einem Rap-Musikvideo freizügig an, so diente das dazu, den Künstler und seine „Männlichkeit“ zu unterstreichen. Lil’ Kim und Foxy Brown sorgten für einen Gegenpol: Die US-Rapperinnen thematisierten ihr Sexleben detailreich und zeigten sich dabei mit knapper Kleidung in Musikvideos. Wo der Unterschied ist? Es war selbstbestimmt, entsprach ihrer eigenen Vorstellung und war vor allem ihr eigenes Musikvideo. Sie enttabuisierten Themen, die sich laut gesellschaftlichen Vorschriften „für Frauen nicht gehörten“ und kehrten die Rolle des Objekts um. Beide repräsentierten, dass die Menge an Stoff weder den Wert eines Menschen noch seine Eigenschaften definiert. Lil’ Kim und Foxy Brown machten klar: Frauen kleiden sich nicht freizügig, um Männern zu gefallen.

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Tic Tac Toe: Sexistische und rassistische Stereotypen werden Thema im Deutschrap

Zur selben Zeit ist die Karriere von Tic Tac Toe auf ihrem Höhepunkt in Deutschland. Sie brachten durch ihre provokanten Raptexte Thematiken wie Sexismus und Rassismus in die Mainstream-Musik. Damit prägten sie nicht nur den deutschen HipHop bis heute, sondern ebneten vielen Künstlerinnen nach ihnen den Weg. Sie kombinierten mehrere Eigenschaften, die es bis dato kaum und schon mal gar nicht bei Frauen gab: Freche Überspitzungen und Ironie, um auf die Diskriminierung von Schwarzen Frauen aufmerksam zu machen und gleichzeitig die weibliche Selbstbestimmtheit zu betonen. In ihrem Hit „Verpiss Dich“ thematisiert das Trio eine Frau, die von ihrem Partner betrogen wird und ihn deswegen verlässt. Trotz der Gefühle für ihn weigert sie sich schlichtweg, eine Beziehung weiterzuführen, in der sie belogen wurde. Der Track zeigt auf, dass Frauen nicht unter dem Pantoffel einer Beziehung stehen, sondern respektiert werden müssen. Schon die Klassiker der Band „Ich find dich scheiße“ oder „Leck mich am AB Zeh“ zeigen die Ausdrucksweise der Rapperinnen, die dafür oftmals kritisiert wurden. Ihre Antwort darauf? Was Männer seit Jahren dürfen, können wir schon lange! Damit setzten sie ein Zeichen in der damals männlich dominierten Musikindustrie. 

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Lady Bitch Ray und Kitty Kat: Rapperinnen der 2010er-Jahre

Reyhan Şahin alias Lady Bitch Ray oder Dr. Bitch Ray ist Autorin, Linguistin, Radiomoderatorin und Rapperin. Ab 2006 nutzte sie Rap, um sich von sexistischer Diskriminierung loszusagen. Als alevitische Muslimin rappt sie offen über ihre Sexualität und bekam deswegen für Werke wie ihre F*CK MICH EP (2006) immer wieder Shitstorms. Während die Reaktionen zeigten, wie patriarchal die Gesellschaft zwischen weiblichen und männlichen Rapper:innen unterscheidet, unterstrich Lady Bitch Ray umso mehr die Notwendigkeit, als Frau über solche Themen sprechen zu dürfen. Sie selbst sagte in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur, dass die Deutschrap-Szene ein „Boxring“ war, in dem sie sich habe „austoben“ können. Gleichzeitig hätte sie die Plattform nutzen wollen, um ihre Wut aus anderen Bereichen darzulegen, denn: „Das Patriarchat schläft nicht“.

Denkt man an die Deutschrap-Szene der 2010er-Jahre, kommt meist dieses Schlagwort: Aggro Berlin. Ein Independent-Label, das 2001 gegründet wurde, und Rapper wie Sido, Bushido und Fler hervorbrachte. Wie der Name vielleicht schon erahnen lässt, ging es um aggressiven Straßenrap gebürtiger Berliner. Das Label war hauptsächlich maskulin geprägt und wurde stets mit Sido oder Bushido assoziiert. Bis 2006, denn als einzige weibliche Rapperin schaffte es Kitty Kat dort unter Vertrag genommen zu werden und zeigte, dass auch Frauen aggressiv rappen können. Zwischen 2006 und 2009 erschien sie in mehreren Veröffentlichungen von Aggro Berlin und etablierte sich mit der Zeit immer mehr in der Szene. Sie veröffentlichte mehrere Tracks wie „Ich und meine Katze“ und „Strip für mich“ gemeinsam mit Sido. Songs, in denen beide über einvernehmlichen Sex sprechen. Eigentlich sollte dies keine neue Entdeckung sein, dennoch war solch eine Thematik aus der Sicht beider rar im Deutschrap. Es wurde weder die Frau noch der Mann zum passiven Objekt degradiert.

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Nicki Minaj: Rap-Vorbild auf internationaler Ebene

Jemand, der HipHop für Millennials und Gen Z sowohl in den USA als auch Deutschland prägte, war Onika Tanya Maraj alias Nicki Minaj. Bis heute beziehen sich Rapperinnen wie Shirin David, Badmómzjay oder Doja Cat auf die US-Rapperin. 2010 erreichte Nicki Minaj mit dem Track „Your Love“ ihres Debüt-Studioalbums PINK FRIDAY die Spitze der US-Billboard Hot Rap Track — womit die 40-Jährige nach Lil’ Kim und ihrem Song „Magic Stick“ ft. 50 Cent (2003) die erste Rapperin war, die sich den Platz eins holte. Eine nette Metapher dafür, dass mit Nicki eine neue Ära im Rap begann. Mit ihrem selbstbewussten Auftreten folgte Kritik, die unter anderem extrovertierten Frauen nur zu gut ein Begriff sein dürfte: Sie sei zu laut, zu freizügig, zu „bossy“. Entdeckt durch Lil Wayne nutzte die Rapperin ihre Musik, um offen über Sexualität zu sprechen, ihre Videos, um zu twerken, und ihre Plattform, um klar zu machen, dass sie sicherlich nicht als Objekt männlicher Begierde diene. In Interviews wie „MTV Documentary“, kritisierte sie offen Rapper und die männlich dominierte Szene und hob hervor: Ich lasse mir nicht sagen, was ich zu tun habe, sondern mache, was ich will. Sie zelebriert in ihren Songs ihren Flow, Erfolg und Körper. Damit sorgte sie für ein neues, inklusives Schönheitsbild der Frau. Sie zeigte, dass eine Frau weder dünn noch weiß sein muss, um sich sexy und wohl in ihrem Körper fühlen zu dürfen. Mit ihren Aussagen und Kommentaren lebte Nicki Minaj vielen Mädchen und Frauen vor, dass nur man selbst bestimmt, wer man ist — und sicherlich nicht die Gesellschaft.

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HipHop wird mittlerweile auch im Mainstream durch Frauen verkörpert. Zwar gab es einige Vorreiterinnen, aber das will nicht heißen, dass neue Rapperinnen nichts zur Rap-Szene und Emanzipation der Frau beizutragen hätten. Sei es eine Schwesta Ewa, die den Beruf und die Thematik rund um Sexarbeiterinnen enttabuisiert, SXTN, die sexistische und rassistische Klischees umkehrten, Badmómzjay, die sich für die LGBTQIA+-Community einsetzt oder Shirin David, die durch ihre Raptexte Männer mal zum Lächeln auffordert. Und die Liste ist noch länger! Also auf weitere 50 Jahre HipHop, in denen Frauen* das Spektrum des Genres erweitern und weitere ermutigen zum Rap zu finden.