50 Jahre BRAVO :: Winnetou und die Gliedversager
Die Jugend ist eine rätselhafte Lebensphase, in der einen merkwürdige Fragen bewegen: „Tommi, bist du in der Schule ein Versager?“ – „Hast du schon mal gehascht. Juliane?“ und: „Kommt’s beim Glied auf die Größe an?“ Daß einen solche Fragen bewegen, daß sich das Formulieren lebensweltlicher Ansprüche auf eine Nische zwischen Hollywood, Pop-Produkten und sexuellem Leistungsturnen beschränkt, ist nicht genetischer Veranlagung geschuldet, sondern wenigstens zum Teil einer periodischen Publikation, die am 26. August 1956 antrat, um den deutschen Nachwuchs aus den Pranken rigider Erziehung zu befreien und ihn den Pranken des angedooften Glitzerkonsums auszuliefern. Über die Jahre war (und ist) Bravo ein äußerst heterogenes Phänomen mit einigen konstanten Zügen (etwa der totalen Ausblendung sozialer und polirischer Bewußtseinsbildung und ernsthafter Gesellschaftskritik). Bravo erfand den Teenager, stellte sich plakativ auf die Seite halbstarker „Rebellen“, stampfte „Trends“ aus dem Boden, pumpte andere auf, konfrontierte unvorbereitete Jungmenschen wie A. Koch mit Punk und verwandelte die Entdeckung der Sexualität vom Tabu in eine Pflichtdisziplin. In Beiträgen zu Themen wie Emanzipation in den 5oern. der höchst sonderbaren Karl-May-Film-Welle, „1968“, Stars, Punk,Techno, Bravo in der DDR und Drogen setzt sich dieses Buch mit dem Phänomen auseinander – mit unterschiedlichen Ergebnissen. So ist etwa manche Anekdote über den Zynismus und die Schwindeleien der Gazette selbst für Eingeweihte (und Ahnende) haarsträubend, hingegen besticht die „Autobiographie“ von „Dr. Sommer“ (alias Dr. Martin Goldstein) durch Nüchternheit. Verstand und Vernunft. Nicht alle Texte sind lesenswert, manche kommen kaum über das Niveau von Schulaufsätzen hinaus, auch wurde auf Fehlerkorrektur und Lektorat vollständig verzichtet. Aber statt sich darüber zu ärgern, ergötzt man sich beim Blättern lieber an den vielen Abbildungen von Original-Bravo-Seiten, deren Erheiterungswert den Nutzwert des Buchs zwangsläufig überragt.
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