Als die Welt noch unterging von Frank Apunkt Schneider

Untergegangen ist die Welt schon immer gerne, im Mittelalter wie heute; aber selten war sie so nah dran wie am 26. September 1983 kurz nach Mitternacht: Da hatte der Offizier Stanislav Petrov knapp fünf Minuten, um sich zu entscheiden, ob die fünf US-„Marschflugkörper“, deren Eindringen in den sowjetischen Luftraum ihm gemeldet wurde, ein Systemfehler waren. Oder echt, was bedeutet hätte.dass dem Rest der Menschheit drei Minuten geblieben wären, um sich zu verabschieden, ohne Testament, weil es Erben nicht mehr gegeben hätte. Petrov entschied sich für einen Defekt. Auch wenn damals niemand von der Fast-Apokalypse erfuhr-erwartet wurde die explosive Endabrechnung zumindest in Deutschland, dem Zenit der Vernichtungsfantasien,jeden Tag; kaum eine Zeitung, die nicht Szenarien des Atomkriegs entwarf und Prognosen abgab, wann es so weit sein würde. Dass die Jugend bei derart endemischem Zynismus keinen Bock auf Bausparverträge. Science-Fiction-Träume und esoterische Bewusstseinsvernebelung hatte, sondern lieber alles inklusive sich selbst in Klump und Asche hauen wollte, ist irgendwie logisch. Auch auf andere Weise, denn die NdW, obwohl in strikter Abgrenzung vom Hippiesumpf aus Punk hervorgegangen, war die letzte musikalische „Bewegung“,die politisch war-und sei’s nur, weil sich danach Vereinzelung, Flexibilisierung und Zukunftsdrill so totalitär durchsetzten, dass die Konfliktlinie nicht mehr zwischen oben und unten verläuft, sondern zwischen den Einzelmenschen. Grund genug, sich zu erinnern, was Schneider mit Intelligenz und Akribie tut. Seine Analysen mögen (be)streitbar und von manchmal etwas (zu) glühendem Engagement sein, sie entspringen jedenfalls genauer Recherche und famoser Urteilskraft, und die kommentierte Disko und Kassettografie ist zwar reich an Fehlerchen und Fragwürdigkeiten, dürfte aber dennoch auf lange Zeit konkurrenzlos bleiben. »>www.punk-disco.com