Alt-J

RELAXER

Infectious/PIAS [Coop]/Rough Trade (VÖ: 2.6.)

Vom Zustand zwischen Wachen und Schlafen: Die englischen Indiepop-Größen haben eine Meta-Version der eigenen Ideen eingespielt, in der sich jedes Detail deutlich abzeichnet.

Man soll ja besser auf die inneren Werte schauen, nicht so sehr auf Äußerlichkeiten achten. Aber, meine Fresse, ist dieses Cover hässlich. Aber natürlich hat in der Welt von Alt-J allem, auch der Verpackung ihres dritten Albums, eine höhere Bedeutung zuzukommen.

In diesem spektakulär unansehnlichen Fall handelt es sich um einen Screenshot aus einem Playstation-Game namens „LSD“, das es dem Vernehmen nach zum Kult gebracht hat. Aufgabe des Spiels, das kein echtes Ziel hat, ist es, wie in einem Traum surreale Welten zu erforschen. Aber nein, Alt-J haben nicht plötzlich den Dreampop entdeckt, jedenfalls nicht den, den man so kennt, mit den mäandernden Soundschlieren und den schluffigen Unschärfen, der sich auf das drogenvernebelte Wabern der Sixties-Psychedelia bezieht – auch wenn sie die alte Kiffer-Hymne „House Of the Rising Sun“ covern. Eher im Gegenteil, in jedem einzelnen Song von RELAXER zeichnet sich jedes feine Detail ganz deutlich ab, jedes Gitarrengeklimper, jeder elektronische Taktschlag, jedes sanfte Gurren der Stimme. Aber es ist – da hat das schaurige Cover dann doch seine Berechtigung – trotzdem eine Traumwelt, in die uns das Trio aus Leeds entführt.

Alt-J wirken wie Schatten ihrer selbst – oder eben wie ein flüchtiger Traum

Diese Traumwelt ist aber eben nicht die des schlierigen Dreampop, sondern eher die musikalische Umsetzung des Zustands zwischen Wachen und Schlafen, wenn man nicht mehr so richtig im Jetzt ist, aber dafür besonders sensitiv für Wahrnehmungen aus anderen, weniger realen Welten. Schon im eröffnenden Track „3WW“ weben Alt-J ein zartes Spinnennetz aus unmerklich verschobenen Rhythmen, diffizilen Kontrasten zwischen leise und besonders leise, einem kleinen Gitarrenlick, einer niedlichen Folk-Melodie und einem unerwarteten Euphorieausbruch. Tatsächlich spielen Alt-J auf RELAXER eine Art Meta-Version der eigenen Ideen ein. Es ist alles noch da, was auf den gefeierten ersten beiden Alben schon so beeindruckte: die Theatralik, die Polyrhythmik, die Experimente, die raumgreifenden Melodien. Aber nun werden sie nur selten kräftig ausformuliert, nie miteinander kontrastiert – außer vielleicht im von Bläsern aufgeplusterten „In Cold Blood“ –, sondern nur angedeutet, insinuiert. Auch wenn man den Aufnahmen den zum Teil immensen Aufwand anhört, selbst wenn man weiß, dass einmal 20 klassische Gitarristen in eine Kirche zusammengesperrt wurden, um alle dasselbe zu spielen, sind die schönsten Stücke kein stolzer Auftritt, sondern nur mehr ein schüchternes Winken. So wirken Alt-J wie Schatten ihrer selbst – oder eben wie ein flüchtiger Traum.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.