Art Brut – Bang Bang Rock & Roll :: Die beste unoriginelle Band der Welt

Hi, wir sind heute mal witzig. Unsere kleine Band singt neuerdings in einem Lied, daß sie den Sound von Velvet Underground gar nicht ausstehen kann, unsere Leute haben sich gruselige „Künstlernamen“ ausgedacht (die Bassistin heißt Fredie Feedback, der Gitarrist Chris Chinchilla) und ein Album aufgenommen, dessen zehn zentrale Komponenten garantiert in den zehn Meisterwerken des Indie- und Punk-Rock vorkommen. Wir sind wirklich unoriginell, aber wir sind die beste Band der Welt. Derweil Sie diese Zeilen lesen und sich vielleicht fragen, ob wir nur aus dem Bandinfo zitiert haben: Willkommen im Universum von Art Brut, wo alles und nichts wahr ist, cool und uncool im Sekundentakt aufeinandertreffen und jeder Song mindestens drei geniale Kalendersprüche enthält.

Die Band aus Bournemouth, die letztes Jahr mit der Single „Modern Art“ erstmals in Erscheinung trat, stellt auf ihrem flamboyanten Debüt klar, daß Rockmusik anno 2005 lustigerweise noch einmal ohne jeden Anspruch auf Innovation auskommt. Bang Bang Rock & Roll ist die Platte der rollierenden Emotionen und Irritationen. Sie ist kindisch, zwiespältig, manchmal peinlich,gefährlich authentisch. Und Sänger und Frontmann Eddie Argos ist witzig. „Met the sweetest girl, she sold me a pill/Tasted like shit and made me feel ill / Watch my body twist and jerk/I just wanna find a drug that works!“ Die Platte ist die Droge; die Band fährt mit dem Superkraftstoff des Punk, der sie über die Löcher und Pausen trägt, die sich in diesen Hymnen und Hymnchen durchaus auftun. Dafür haben sie die gerade mal fünf besten, aufgekratztesten Songs des Jahres hier versammelt. Raketen mit Rohanstrich, Songs, von denen man nun weiß, daß man sie immer schon hören wollte seit Wire, den Undertones und den Buzzcocks: „Modern Art“, „Formed A Band“, „Fight“, „Emily Kane“ und „Rusted Guns Of Milan“. Bang Bang Rock & Roll ist auch die Platte, die ausgebildete Musikfacharbeiter in tranceartige Zustände mit verbalen Spätfolgen befördert. Albert Koch: „Irgendwie sind Art Brut Goldie Lookin Chain ohne HipHop.“ Und Josef Winkler: „Was? Wie? Winsel. “ Selbst der britische NME, sonst nie um gigantischen Hype und groteske Fehleinschätzung verlesen, rätselte, „ob Art Brut schlaue Menschen sind, die sich dumm stellen, oder dumme Menschen, dieganzschlau tun.“

Die Wahrheit sehen Sie wie immer nur im Fernsehen, aber das hier ist echte Kunst aus dem schmutzigen Backofen von ein paar Vorstadtkindern, die sich kurz entschlossen haben, einen Rock’n’Roll-Kuchen zu backen statt einen Joint zu drehen. Erstes Stück: „Formed A Band“-wir haben’s getan, eine Band gegründet. Und die legt gleich ein Gitarrenfeuer, als gelte es Westminster Abbey abzufackeln, Eddie Argos, atemlos wie eine zu weit aufgezogene Mark.-E.-Smith-Sprechpuppe, hat für die Band-Genesis eine Demo ausgerufen: Guckt uns an, wir schreiben den Song, der Israeli und Palästinenser wieder zusammenkommen läßt. Ein Kinderspiel, wenn man Art Brut heißt. Immerzu zitiert die Band sich die Songs herbei, wir hören einen „Sweet Jane“-Rip-off (Velvet Underground), einer ruft „l’m considering a move to LA. “ und alle antworten: „He’s considering a move to L.A.“. Und das nur, weil das Wetter in England sich so selten von seiner strahlenden Seite zeigt. Mit dem einen Bein böse tretend, mit dem anderen, dem unaufhörlich wippenden Spielbein, operieren sie in der Tradition britischer Unterhaltungsmusik. „Emily Kane“ ist ein Liebesbief an die verlorene Schulhofliebe. „Good Weekend“ reimt sich hier mit „got myself a brand new girlfriend“, besitzt ein paar becircende Schalalas, die im Jahr eins nach Franz Ferdinand wohl schon zur Erstklässlerausstattung des Brit-Pop gehören. Und das noch von Pickeln übersäte Alter ego des Eddie Argos verrät „You’ve seen her naked- twice“. Sowas gehört in jeden Lyrikleitfaden für die moderne Schülerband. Bald wird diese Platte in den Männer- und Modemagazinen als Brit-Pop-Sensation auftauchen, bitte nicht vergessen, den4C-Infokasten dazuzustellen, „Das ist Art Brut“, wie war’s mit einem eingeklinkten Dubuffet-Zitat und ein paar Internet-Links zu Outdog-Kunst? Wir nehmen lieber ein Zitat von dieser Platte und stellen fest, daß Art Brut nachträglich noch eine Aufmacherseite im Poesie-Album des Punk gebührt: „Die your hair black and neuer lookback“.

www.artbrut.org.uk