Boards Of Canada – Tomorrow’s Harvest

Warp/Rough Trade

Nach acht Jahren ein neues Album des schottischen Psychedelic-Ambient-Duos. Atmosphärenmusik, düster und episch.

Angesichts von Beatkonstrukteuren wie LFO, Autechre und Aphex Twin im Kosmos des Warp-Labels muss sich das Debütalbum von Boards Of Canada mit seinen relativ geraden Beats, den Field Recordings, den Samples und manipulierten Sounds im Frühjahr 1998 angehört haben wie Easy Listening. War MUSIC HAS THE RIGHT TO CHILDREN natürlich gar nicht. Ein paar Spielzeiten später, nachdem elektronische (auch Warp-) Musik ein ganzes Stück „normaler“ geworden ist, relativiert sich diese Einschätzung. Heute könnte man das Debüt von Boards Of Canada als Neuerscheinung deklarieren und in eine Reihe stellen mit Post-Bass-musikalischen Veröffentlichungen von Bands/Projekten wie Lone, Burial und Baths, für die Kollege Sawatzki weiter oben dankenswerterweise den Begriff „Zwischenmusiken“ erfunden hat. Die Schotten Mike Sandison und Marcus Eoin sind die Urväter der Zwischenmusiken; meint: elektronisch generierte Klänge, die sich der heiligen Dreifaltigkeit Ambient-House-Techno nicht eindeutig zuordnen lassen. Und so ist es vielleicht kein Zufall, dass das vierte Album des Duos – acht Jahre nach THE CAMPFIRE HEADPHASE – in einer Hochzeit der Zwischenmusiken veröffentlicht wird. TOMORROW’S HARVEST ist eine sehr düstere, um nicht zu sagen pessimistische Platte geworden, die freilich vieles von dem zur Schau stellt, was Boards Of Canada groß gemacht hat; Beat-behaftete Atmosphärenmusik, die Kreation von Abstraktem aus Konkretem (= Samples), manches ein bisschen neben der Spur, und manchmal sind die Tracks so episch konstruiert, dass es kaum zum Aushalten ist. Das Album hat beatlose Ambient-Tracks („Sundown“), Kommentare zu aktuellen Bassmusiken („Reach For The Dead“), dekontexualisierte HipHop-Beats zu cinematografischen Soundlandschaften, aber auch Ausflüge in die Untiefen der elektronischen Avantgarde. „Uritial“ ist ein Track, der in seiner radikalen Konsequenz auch von Conrad Schnitzler oder Hans-Joachim Roedelius stammen könnte.