Bob Dylan
Shot Of Love
Col (Sony Music)
Nach meiner Kritik zu Bob Dylan’s SAVED (ME 8/81) erhielt ich eine Anzahl Leserbriefe, die sich fast alle in einer Tendenz gleichen: Religiös (oft katholisch) verstimmte Schreiber wetterten über meine Vergleiche (der uralte Hut: ich hatte Drogen und Gott in eine Reihe gesetzt) und versuchten weiterhin, teils mit nervender Penetranz, mich auf ‚den rechten Weg‘ zu führen. So wie das BobD ylan seit einiger Zeit mittels Platten versucht. Oftmals drang da der unverschämte Anspruch durch, als Christ die definitive Wahrheit zu besitzen, was etwa Dylan auch von sich glaubt: „If you got something better (als Jesus) you got a heart of stone“(In Property Of Jesus/SHOT OF LOVE). Der Nicht- oder Andersgläubige a priori als schwarzes Schaf. Daß die Umkehrung dieser Einstellung, also die Gläubigen als schwarze und verlorene Schafe zu sehen, mindestens diskutabel wäre, scheint weder den besagten Lesern noch Bob Dylan aufgegangen zu sein.
Besonders fortschrittliche Dylan-Fans, so schwant mir, sehen den Wert der neuen Dylan-Alben zuvorderst darin, daß Dylan, der alte Kryptiker, sich nicht festlegen läßt und, oha, sich auch im fortgeschrittenen Alter noch verändert. Aber muß man nicht fragen, wohin die Änderung geht? Und sie unter Umständen verdammen, wenn sie, wie bei Dylan, in realitätsferne, durchweg rechtslastige Bereiche driftet? Kurz, die Texte auf SHOT OF LOVE schwanken zwischen bedenklich reaktionär („Property Of Jesus“, „Trouble“), naiv („Shot Of Love“), harmlos („In Thee Summertime“) und schlicht schwach: verglichen mit etwa „Hurricane“ wirkt die Rehabilitierung von „Lenny Bruce“ allenfalls durch die geläufige Dylan-Wortbilder „he fought a war on a battlefield where every victory hurts“.
Klingt doch nett, nicht?
Musikalisch sieht SHOT OF LOVE ganz anders aus. Daß der Chor der Mädels hinter Dylan manchmal treffend paßt und manchmal nur dümmlich säuselt („Every Grain Of Sand“), schreckt kaum noch. Aber bis auf „Lenny Bruce“ und „Every Grain Of Sand“ bietet Dylan mit Hilfe erlesener Musiker wie Duck Dunn, Benmont Tench, Jim Keltner, Danny Kortchmar u.v.a. erlesene Rocksongs, die kompositorisch zu seinem besten Drittel zählen und durch die schon bekannte Sprengsei aus Reggae oder aber R&B („Trouble“) und Gospel („Shot Of Love“) noch gewinnen. Musikalisch tönt SHOT OF LOVE exquisit.
„Bob Dylan’s Songs are full of seemingly religious references.“ (Lilian Roxon 1969!!!). Und war Dylan für seine Exegeten nicht schon immer Religion (-ersatz)? Aber ist Dylan heute noch wichtig? Musikalisch gute Alben gibt’s auch anderswo. 3 (als Quersumme).