Coolness. Über Miles Davis :: von Tobias Lehmkuhl

Coole Improvisation auf Leben und Werk des Jazz-Chamäleons. “ Wenn man etwas erreichen wollte, ließ man sich bitten“ – ein zentraler Satz auf Seite 112 fasst in einem Paradoxon zusammen, worum es hier geht: keine Biografie, sondern Annäherung in vielen Schritten, oder sagen wir: im Tasten. Über Miles Davis zu schreiben und dabei fühlbar zu machen, was man hört, wen n man ihn hört, ist noch niemandem richtig gelungen, also woh! unmöglich. Auch dem SZ-Autor Lehmkuhl gelingt es nicht, aber er kommt näher ran als die meisten. Über Coolness ist vielleicht noch weniger leicht zu schreiben; wer’s nicht glaubt, erinnere sich an das „Standardwerk“, mit dem sich ein deutscher Kulturbetriebshampelmann vor neun Jahren pfundig ins Klo setzte. Das wiederum ist hier indes gelungen – weil Lehmkuhl es gar nicht versucht, sondern … tastet, sich selbst aus dem Blick verliert, etwas aus der Luft greift (beim Jazz immer eine höchst empfehlenswerte Herangehensweise), betrachtet, reflektiert, ein paar Gedanken und Anekdoten assoziiert, ein bißchen im Fundus wühlt und es dann wieder wegwirft, um etwas Neues zu ertasten. Das erste Kapitel „Cool sein“ ist eine improvisierte Einstimmung, dann wird es richtig interessant: Um „Singen“ geht es, um „Wachen“, „Handeln“, „Lieben“, „Gehen“, „Boxen“, „Trinken“, „Vögeln“, „Lächeln“, „Vergessen“ und vieles mehr, was man tut, wenn man cool ist, oder was man cool tun kann, wenn man Miles Davis ist. Irgendwie also doch eine sozusagen zerbröselte Biografie, aber ganz anders. Alles ist knapp gehalten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Stringcnz, Logik. So ist dieses Buch irgendwie auch Jazz: Man liest es, findet es schön, klug, diffus erhellend, und dann legt man es wieder weg und fühlt sich… cool.