Culture Club – Box Set

Fans und Kritiker mit uneindeutiger Geschlechtsidentität und skurrilen Outfits in Verwirrung zu stürzen ist keine Erfindung des niederbayerischen Publikumsliebling Daniel Küblbock aus dem garantiert talentfreien TV-Quotenrenner „Deutschland sucht den Superstar“. Die Tradition des Camp-Stils hat besonders in England eine lange Tradition. Dort katapultierten sich schon Pop-Legenden wie Marc Bolan und David Bowie in femininer Garderobe aus den Niederungen jahrelanger Erfolglosigkeit mitten hinein in den Rock-Olymp. Ein weiteres Beispiel dafür ist George O’Dowd, besser bekannt als Boy George. Vor genau zwanzig Jahren gelang dem glühenden Bowie- und Bolan-Verehrer mit seiner Band Culture Club der Sprung aus dem Londoner Untergrund in die Welt des Showbiz. Bis nach Amerika sollte die zuvor bei Malcolm McLarens Bandprojekt Bow Wow Wow zwangsweise ausgeschiedene Medienfigur die Wogen des Erfolgs tragen. Unter den damaligen New Romantic-Protagonisten gab es sicherlich talentiertere wie etwa The Human League, ABC, Soft Cell oder Duran Duran. Doch keine dieser Bands konnte einen Paradiesvogel wie Boy George vorweisen, dessen exzentrischer Kompositions- und Gesangsstil immerhin gleich in zwei kleine Pop-Meisterwerke fließen sollte:

Kising to Be Clever (1982) und Colour By Numbers (1983). Mit Box Set liegt nun die erste großzügige Anthologie der Teensensation der Ära 1982 bis 1986 vor. Eigentlich betreibt die Box einen kleinen Etikettenschwindel: Denn unter den 77 Tracks gibt es nicht nur Material von Culture Club, sondern auch diverse Soloexkursionen von Boy George. Was ja an sich nicht weiter tragisch wäre, würde die Retrospektive, die auch noch ganz ohne Biografie und Essays veröffentlicht wird, nicht im Ansatz des guten Willens stecken bleiben: Nicht nur, dass diverse Hitssingles wie „The War Song“, „The Medal Song“ und „God Thank You Woman“ fehlen. Zwei der vier CDs enthalten zudem haufenweise blechern-pompöse Mixe und Remixe, die absolut unnötig sind. Wirklich interessant, experimentell und spannend tönen eigentlich nur die diversen hier enthaltenen Demo-Versionen (u.a. von „Do You Really Want To Hurt Me“, „White Boy“ und „I’m Afraid Of Me“) mit Dub-Reggae-Einschlag aus der Frühphase ‚“81/82″ – wobei der Eindruck entsteht, dass Culture Club wohl doch zu mehr als nur einer Fußnote in den Popannalen taugten.www.culture-club.co.uk