Die Sinlges
Ist alles ein bisschen viel im Moment. Aber schön. Ein prima Tohuwabohu, all überall. Nichts mehr wie immer, wird alles sonstwie. In Köln beispielsweise soll der Rosenmontagszug, diese straff organisierte Karawane rheinischer Fröhlichkeit, im Jahr 2000 da anfangen, wo er seit 20 Jahren aufhört. Jecken, andersrum lustig sein! Großartig. Und im Supermarkt stehen seit Wochen Schokoladenfiguren, die einen frivol aus Stanniol angrinsen, idealerweise 75 B tragen und „Nikola“ heißen. Auch dufte. Am duftesten war aber ein anderer: Ben Becker. Und das kam so: Becker war beim weitgehend talentfreien Beckmann in dessen gleichnamiger Blödquatsch-Show eingeladen, dort hatten der Gastgeber und Guido Westerwelle schon um die Wette salbadert und sich gegenseitig die Taschen vollgelogen, als der Beckerben reinkam und dem F.D.P. -Generalsekretär Haschgift in die Hand drücken wollte. Jawohl:ein Piece“Hier. prima zur Entspannung“, sagte Ben zum Guido, der aber lehnte freundlich ab, weil er ja auch so lustig sein könne. Ist ja auch irre juxig, bei einem Verein zu sein, der regelmäßig an der Zwei-Prozent-Hürde scheitert. Egal. Da kommt eh jede Hilfe zu spat, beim Guido.
Alles geschmeidig hingegen bei den kurzen Tonträgern des Monats: keine einzige Single, bei der man spontan einen pantomimischen Herpes entwickeln musste. Auch nicht bei der neuen von den Stereophonie* Deren „Hurry Up And Wait“ (V2/Zomba) wird zwar von der Plattenfirma nachgerade genial beworben – der Song ist „nicht zu schnell und auch nicht zu langsam, nicht zu laut, aber auch nicht zu verhatten“ – ist aber trotzdem nach vier Minuten siebzehn in Ordnung. Gut, das Ding turnt etwas schlaff auf drei Akkordfolgen hin und her und auch 2urück – und es soll ja durchaus Songs geben, die partiell vertrödelt und dennoch knusprig sind doch: Schwamm drüber. Junge Dinger mögen das und stehen bestimmt weiterhin auch unheimlich auf die buschigen Augenbrauen von Sänger Kelly Jones. 3 Komplett anders sind indes die sympathischen Nichtgesichter von Mogwai unterwegs; Mit ihren diskussionswürdigen Frisuren bringen sie keine Teenies zum Kreischen. Das tut aber auch nicht Not – die elegischen Tonfolgen ihrer EP „Stanley Kubrick“ (Chemikal Underground/Zomba) betören den Musikfreund, indem sie minutenlang ätherisch um sich selbst kreisen, sich von jetzt auf gleich verdichten – und rumms – gibt das komplette Instrumentarium auf der Flipside Gas, die Verstärker werden aufgedreht, und wir sind mittendrin in einer veritablen Lärm-Orgie. Die allerdings hält nie lange vor: Kakophonie ist bei Mogwai ein Stilmittel und kein Selbstzweck, und stets gelingt es den Musikern, Geräusche und Samples wieder zu einer Melodie zurückzuführen. Das ist zugleich versponnen, verwegen und verhuscht – aber erfreulicherweise von dieser Welt. 6 Und wo wir gerade noch auf dieser Welt sind: nur mal angenommen, dass diese komischen Sekten doch Recht haben mit ihrem Untergangsgeschwurbel, am 31. Dezember ist dann also finito, kleine grüne Steinbeißer übernehmen die Macht und wollen irgendwann wissen, was die Erdlinge denn mit Indie in den Ohren hatten. Mit Indie, der zwischen melodischem Pop und Rock in der Tempo-30-Zone verhandelt wird – na, was würden wir ihnen dann vorspielen, wenn wir’s noch könnten? Richtig: „Don’t I Hold You“ (City Slang/EFA) von Whcat – weil die Single der vier Burschen aus Massachusetts, Amerika, ein gefühlsintensiver Schmachtfetzen ist, so echt wie nur was. Produziert übrigens vom grandiosen Dave Fridmann, der auch die letzten Schallplatten von Mercury Rev, Mogwai und den Fläming Lips veredelte. 5 Eine rundum gelungene Arbeit liefern auch BuffaloTom ab. Mit Holzgitarre bremsen sie“Going Underground“ (Ignition/Epic/Sony Music), ehedem ein Powerpop-Smasher von The Jam, elegant aus, Bill Janowitz singt mit Emphase und intoniert sowas ähnliches wie die Pfadfinder-Version dieses Jam-Songs. Garantiert auch hübsch wärmend als Soundtrack für eventuelle Nachtwanderungen. 4 So, und jetzt hypen wir im Kollektiv mit den Kollegen von der Insel die Kapelle Muh – aber im Gegensatz zu denen nur ein klitzekleines bisschen. Mehr ist nämlich nicht drin. Das Intro von „Muscle Museum“ (Motor Music/Universal) kommt uns postmodern-griechisch vor -huhu, MikisTheodorakis! -, derTempomat steht rechts, und Sänger Matthew Bellamy singt nach Art des Gummitwist und übt sich im Extrem-Stimmbänder-dehnen. Dazu gibt’s schrimm-schramm-schrumm-Gitarren. und deshalb reicht’s bei Muse für einen Hype. Aber eben nur für den. 3 Und nun: Mal gucken, was in Elektroland so los ist. Einiges, können wir mit Fug und Recht behaupten.Jimi Siebeis und Mense Reents, besser bekannt und bald auch sehr berühmt als Egoexpreu haben an ihrem Elektrohouserocker „Weiter“ (Ladomat/Zomba) noch mal Hand angelegt. Beziehungsweise: anlegen lassen. Herr Reents selbst hat für „Weiter 3“ mit seinem Schweizer Offiziersmesser die Beats angespitzt, Parfüm dreht den Track auf Pop und lässt zu quietschigen Casios anstelle von Tocotronic-Dirk die Kinder aus der Nachbarschaft singen, und Kollege Antonelli Electr. stellt das Studio-Fenster auf kipp und macht „Weiter“ so noch luftiger, als es ohnehin schon ist. 5 Erfrischend ist auch das, was aus Köln um die Ecken weht. Dubstar, so nennt sich der Künstler, ist ein Qualitätsprodukt aus dem Hause „Sie-wissenschon“- und im Fall von „Shining Through“ (Kompakt/ Neuton) ist der Artistenname zweifellos ein Telling Name: Der Track shuffelt schön kontinuierlich vor sich hin und hat dabei viel Mutzurdubbigen Lücke.4 Ja, und jetzt aber: Nix wie rein ins Jahr 2000. Mit einem kräftigen „Hopsa! Hopsal“ So soll das sein.
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