Dirty Projectors :: Swing Lo Magellan

Domino/Good To Go

Die hohe Kunst der zärtlichen Dekonstruktion. Oder: Wie David Longstreth den Soul auf links dreht und die Gitarren in Hardrock-Stärke mitten im Gospelsong explodieren lässt.

Swing Lo Magellan beginnt mit einem mehr gemümmelten als gesungenem Gospelpart, so einer Art Lautmalerei, die man mit geschlossenem, vollem Mund produzieren kann. Die Erinnerung an das Mount Wittenberg Orca-Album, das die Band im Jahr 2010 mit Björk weitgehend als Singspiel aufnahm, wird sofort wach, nur das schöne Heulen der Isländerin fehlt auf der neuen Platte. Attraktionen hat’s auch auf dem neuen Projectors-Album reichlich: Diesmal lässt David Longstreth die Gitarren in Hardrock-Stärke mitten im Song explodieren, ohne größere Schäden am schönen Gospel anzurichten. Kurze Cinemascope-Pop-Momente reihen sich an Passagen klackernder, bollernder Beats, die den Melodien in die Glieder fahren, und das klingt fast wie eine Umarmung. Die hohe Kunst der zärtlichen Dekonstruktion beherrschen die Dirty Projectors wie keine zweite Band in diesen Tagen. Es geht aber auch einmal einfacher, wenn Amber Coffman etwa im Kalimba-Rhythmus „The Socialites“ besingt. Zum Finale von Swing Lo Magellan dreht Longstreth ein paar unvergessliche Vokalrunden, der Chor der Bandmitglieder ist mit Siebenmeilen-Stiefeln in die Tage der Comedian Harmonists geeilt und betreibt dort für einen Augenblick Denkmalpflege. So still bleibt’s selten. Mit Swing Lo Magellan ist den Dirty Projectors der nächste Quantensprung gelungen: Liebesbrief, Kammermusik, auf links gedrehter Soul, Exkursionen ins noch unbekannte Innenleben der Musik – alles auf einmal, kreuz und quer miteinander verbunden, Nahaufnahme und Fernsicht. Wir jubeln.

Key Tracks: „Gun Has No Trigger“, „The Socialites“, „Offspring Are Blank“