Faust – Ravvivando :: Visionär

Ihr 90er-Jahre-Comeback kam ebenso unerwartet wie unerschrocken: Seit es Faust wieder gibt, ist die deutsche Clublandschaft um die Kleinigkeit der Performance (Öltanktrommelnackttanzkettensägentheater) reicher geworden. Die beiden Recken Hans-Joachim Irmler und Zappi Diermaier, stolze 69er, die sich in Interviews spaltenfüllend über Aktivboxen und hintereinandergeschaltete Echogeräte auslassen können, haben ihre neue Mannschaft (nach dem Ausstieg von Jean-Herve Peron) vorbildlich auf den Gegner eingestellt. Und der heißt wie immer: Publikum. Nichts, aber auch gar nichts trennt diese Band vom terroristischen Baumaschinensound ihrer Original-Krautrockphase. Hans-Joachim Irmler traktiert seine Orgel mit kosmischem Esprit, als befanden wir uns noch in der Steinzeit elektronischer Klangerzeugung. Daß dem Tastenmann mitunter eine herzerweichende Melodei („carousel II“) aus den Fingern rinnt, dürfte ihn selbst am meisten wundern. Uns freut’s. RAWIVANDO (italienisch für „schneller werdend“, „wiederbelebend“) hat das, was den meisten Alben anno 1999 fehlt: sound and vision. Hörbar in der Aufbruchstimmung von „t-electronique“, greifbar in den krachenden, bohrenden Bastelarbeiten, die nicht Kunst, sondern sie selbst sein wollen und kein freundliches „hallo“ kennen, „take care“ ist mundgeblasener Drum ’n‘ Bass aus den Tiefen der Echokammer, „spiel“ spielt mit Dada, als wär’s the great lost track vom Düsseldorfer Plan, Clitter-Rock-Mutanten fighten mit Post-Rock-Statisten auf freiem Feld. Und das Publikum applaudiert der gegnerischen Mannschaft. Veröffentlichungstermin: 30. April