Funk/Soul

Nach dem Ausscheren von Chris Jasper, Ernie und Marvin lsley hat sich nun auch die ältere Hälfte der Islev Brothers — Ronald, Rudolph und O’Kelly — wieder ins Studio bequemt und mit MASTERPIECE (WEA 925347-1) eine gesetzte, gut abgehangene Packung opulent orchestrierter Sbwies zusammengetragen. Das Schwergewicht liegt hier auf der klassischen Isleys-Romanze von „For The Love of You“ / „Don’t Say Goodnight (It’s Time For Love)“-Zuschnitt; Qualität auf der ganzen Linie also, ein Track langsamer als der andere, wohltuende Strings, warm rieselnde Piano-Akkorde und Ronalds flötendes Falsett — kein Wunder, daß man bei diesem Setting nicht einmal mehr an ihrer Version von Phil Collins „If Leaving Me ls Easy“ Anstoß nehmen kann!

Exzellent auch Stevie Wonders dramatisch anschwellendes „Stay Gold“, das intime „My Best Was Good Enough“ und das entwaffnend elegische „The Most Beautiful Girl“. Die Single „Colder Are My Nights“, ein monumentaler, Baß & Bläserdominierter Midtempo-/)«mrr, einmal ausgeklammert, ist MASTERPIECE ein Set, der sich am Kaminfeuer oder bei Kerzenlicht am besten konsumieren läßt. (5)

Daß sie es nach den zwei Hungerjahren bei Atlantic und dem stotternden Neubeginn bei Motown verstanden haben, ihren 60er Jahre Vocal-Sound mit einer schneidigen Up-To-Date-Produktion zu verheiraten, hat den Temptations Ende ’84 mit TRULY FOR YOU zu einem veritablen Monster-Album verholfen. Kaum zu glauben, daß sie nun bei TOUCH ME (RCA 72413) in der Lage sind, besseres zu bieten. noch besseres.

Einem ähnlichen Muster wie bei „Treat Her Like A Lady“ folgen sie bei „Givehersomeattention“, das nach einem A-Cappella-Intro in einen kernigen Midtempo-Beat überleitet; „l’m Fascinated“, das sich eines „Nightshift“ verdächtigen Synth-Programmings bedient, und „Oh Love“ sind zwei stattliche Soul-Swinger mit beißenden Lead-Vocals von First-Tenor Ollic Woodson; bei „Don’t Break Your Promise To Me“, der edelsten von drei Balladen hier, sind es die Falsett-Crescendos von Ron Tyson, die Eddie Kendricks ein für allemal vergessen lassen. (6)

Daß er sich als Produzent nicht überlasten läßt — wofür schon die eigene Produktions-Company sorgt! — um den Rücken für seine Solo-Karriere freizuhaben, demonstriert der unfehlbare Kashif einmal mehr bei CONDITION OF THE HEART (Arista AL 8-8385). Der ganze Set ist Song- und Sänger-orientierter als seine beiden Vorgänger, was sich in den ungemein voluminösen und vertrackten Vocal-Arrangements äußert.

Der Opener „Wanna Have Love With You“ ist ein Paradebeispiel dafür: periodisch eingesetzte, Synclavier-abgespeieherte Begleit-Stimmen, Kashifs Lead, die immer wiederaufschwindelerregend hoch gestimmte Massen-Chöre prallt — Vocal-Narzißmus, mit dem er Freddie Jackson in nichts nachsteht.

Es kostet etwas Zeit, sich auf Kashifs Detail-Fanatismus und seine Over-The-Top-Arrangements einzustellen, trotzdem ist CONDIT1ON OF THE HEART ein zumindest stellenweise — beängstigend brillant inszenierter Soul-Showcase! (4) Daß Colonel Abrams den Nerv hatte, seinem vollblütigen Soul-Dancer „Trapped“ mit dem Synth-Funk-Fehlzünder „The Truth“ zu folgen, hat mir den Vorgeschmack auf sein“ LP-Debüt – COLO-NJEL ABRAMS (WEA 252 705-1) – etwas verdorben. Um so erfreulicher jetzt festzustellen, daß sich der Colonel hier nichts Vergleichbares mehr leistet. Am dichtesten rückt er mit „l’m Not Gonna Let“ zu „Trapped“ auf (identisches Synth-Dressing, identische Pick-Gitarren, identisches Tempo), aber auch „Closer And Closer“ und „Picture Me In Love With You“ sind zwei grundsolide, geschmackvoll ausstaffierte Midtempos.

Daß sein Balladeering bei seinem bombastischen Bariton allein den Preis der Platte rechtfertigt, versteht sich von selbst bei einem Mann, dessen 12 Monate alter Song „Please Leave The Message Behind The Door“ noch heute hoch im Kurs steht bei der Real-Soul-Fraktion. Checkt zum Beweis dafür das von Sam Dees verfaßte „Never Change“ — Klasse mit einem kapitalen K! (4)

New Edition, von einem zänkischen und undisziplinierten Rudel in einen gegängelten und gedrillten Doppel-Platin-Act verwandelt, haben ihren Kurs auch bei ALL FOR LOVE (WEA 252 706-1) richtig berechnet. Zum einen setzt es hier „Cool It Now“-Imitationen wie die quirlige und rasante Single „Count Me Out“, komplett mit einem von allen Fünf durcheinander krakeelten Rap in der Mitte – zum anderen heften sie sich ein paarmal hart an die Fersen von Tracks wie „Mr. Telephone Man“, dem Glanzlicht ihres letzten Albums, bei dem sie erstmals einigermaßen erwachsen klangen. „A Little Bit Of Love“ und „Sweet Thing“ fallen in letztere Kategorie, zwei elegante Midtempos, bei denen die Boys sauber harmonisieren.

Auch Ronnie DeVoes Probleme mit der richtigen Tonhöhe scheinen ausgebügelt zu sein (er ist 17, sieht aus wie 15 und klingt wie 11!), was sich hier bei zwei typischen, auf DeBarge getrimmten Teen-Balladen bemerkbar macht. Der Rest ist höllisch kalkulierter und kommerzieller Popcorn-Funk ohne höheren Wiedererkennungswert. (3)

Für jemanden, der für sein Debüt-Album Songs von Full Force, Wayne Brathwaite, Lamont Dozier, Richard John Smith und Billy Ocean gestellt bekommt, dürften die Weichen eigentlich gestellt sein. Der 15jährige Warren Mills, rein äußerlich eine Miniaturausgabe von Michael Jackson, sollte sich somit glücklich preisen — zumal es bei seinem Einstand — WARREN MILLS (Jive HIP 30) – eine Handvoll Tracks gibt, für die ihm Five Star glatt ihr Haar-Gel abtreten würden.

Der Full Force-Beitrag, „Sunshine“, ist die Art von melodischem Hip Hop, wie sie typischer für die Schöpfer von „Roxanne, Roxanne“ und „I Wonder If I Take You Home“ nicht sein kann; Lamont Doziers „Teil Me What You Warn“ ist ein stürmischer, springlebendiger Hook-Song, die vier Wayne Brathwaits-Tracks bauen auf kompetenten, Kashif-gerechten Synth-Baß-Grooves auf, gut hörbar, aber eben doch arg herkömmlich. (3)

Mit einer alarmierend aufregenden Ladung Synth-strukturierter Soul-Songs debütiert das Deodato-betreute Geschwister-Duo Juicy: IT TAKES TWO (Private I BFZ 40098). Die vorgeschobene 12 Inch, „Bad Boy“, war mit ihren schleppenden, stahlbetonharten Drums und einem Morse Code-ähnlichen Synth-Motiv an sich kaum repräsentativ für diesen Set, bei dem Juicy — Jerry und Katreese Barnes — herrlich relaxten und hochmelodischen Midtempos den Vorzug gaben. Exemplarisch dafür der träumerische Soul-Drifter „Love Is Good Enough“ und das Titelstück mit seinen weichen, wiegenden Synth-Grooves und zauberhaften Unisono-Vocals. „Nobody But You“ ist ein insistierender Dancer, „Sugar Free“ eine anmutige Electro-Beat-Ballade -— und auch bei den restlichen vier Tracks sinkt der Standard hier allenfalls um ein paar Grad. (5)