Hardrock
Großkampftag der Würmer: Klitzekleine Maden, auch MAGGOTS (SPV) genannt, so der Titel des neuesten Albums der Plasmatics (feat. Wendy 0. Williams), fressen sich genüßlich in die Ohren der Hörer. „All von do is fuck and ein“ bellt das blonde Energiebündel unaufhörlich ins Mikrofon — und die vier Helfershelfer. Wes Beech. Michael Ray, Chris Romanelli und Ray Callahan, geben lautstark ihren Senf dazu. Gegen dies schrill scheppernde „Heavy Metal meets Rocky Horror“-Musical ist kein Unkraut gewachsen, sind bisweilen selbst Lemmy & Co. musikalische Waisenknaben. Gemein und hinterhältig — so hatte sich Wendy den neunten Geburtstag ihrer Chaotenband gewünscht. Ein wildes Spektakel mit Songs wie „Destroyer“.“.Brain Dead“ oder“.Fire Escape“ nimmt seinen Lauf. Ort der Handlung: Die Welt in 25 Jahren, bevölkert von Mutanten und Maden. Doch keine Bange, die Plasmatics werden uns den Untergang mit ihrem Krach schon noch versüßen. (5) Gegen Gott und die Welt ziehen Manowar aus New York zu Felde. Ihr Unmut ist verständlich, stand ihre Karriere doch lange Zeit auf Messers Schneide. Erst jetzt, den neuen Deal in der Tasche und die aktuelle LP FIGHTING THE WORLD (WEA) auf dem Teller, kann man wieder aufatmen.
Leider geht die Rechnung ä la“.Was lang währt, wird endlich Wut“ nicht ganz auf. Zwar stampfen Joey De-Maio. Autor sämtlicher neun Songs. Ross The Boss plus Anhang gleich mächtig los, feuern unentwegt Baß-, Gitarren- und Drumsalven ab. würden am liebsten die heimischen Lautsprecher in die Luft jagen (..Blow Your Speakers“) oder versprechen „Violence And Bloodshed“ und gar den „Holy War“. Gut und schön, doch ihrem wuchtigen Heavy Metal fehlt dabei eins: die Präzision. Und so läuft die geballte Wu(ch)t am Ende ins Leere. Da hilft nicht einmal das Remake ihres hauseigenen Klassikers, „Defender“. zu dem einst Orson Welles einleitende Worte sprach. (3) Mehr auf die feine, nicht ganz so rabiate Art versuchend Nightranger mit BIG LIFE (WEA). ihrem vierten Album. Daß das AOR-Quintett aus Amerika musikalisch durchaus mehr als nur ein Wässerchen trüben kann, weiß man spätestens seit SEVEN WISHES. Damals wie heute verstehen es Jack Blades und Mannen glänzend, noch der simpelsten Idee eine eineängige Melodie zu entlocken. Kreisende Keyboards und verhalten bis flotte Rhythmen sind das Gerüst, auf dem die beiden Gitarristen Jeff Watson und Brad Gillis mit Vorliebe ihre Kabinettstückchen zeigen oder sich gelegentlich mit twin lead-Soli duellieren.
Stilistisch ist alles beim alten geblieben, schlägt das Pendel zwischen schmuseweicher Schnulze und Mainstream Rock hin und her. Nur der Ton. sprich Sound, ist etwas rauher geworden. Ein Fall fürs Radio. (3) Weiß der Geier, was sich die dtei Engländer von Raven dabei gedacht haben. Ihre neueste Hurenhymne, LI-FE’S A BITCH (WEA). ist’jedenfalls nicht das Gelbe vom Ei. Sicher, man kann John und Mark Gallagher sowie Wacko zumindest auf der Bühne eine gewisse Komik nicht absprechen. Doch auf Vinyl gähnt Leere, sind sie mit ihrem Heavy Metal-Latein sehr schnell am Ende.
Selbst der furioseste Auftakt („The Savage And The Hungry“) entpuppt sich bald als Strohfeuer, wenn man so fahrig, nicht auf den Punkt spielt wie sie. Hauptsache Power aus allen Ohren, den Rest wird sich der Hörer schon denken können. Auf Dauer ist das zu wenig. (2) Da sind die Amis von Agent Steel mit UNSTOPPABLE FORCE (MFN; Intercord) aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Auch sie mogen’s gern laut und deftig. Verstärker rauf, Verstärker runter, und speeden, was das- -Zeug hält. Da wird getrommelt und gerast, als gehe es um Tod oder Leben, aber dennoch stets mit dem nötigen Humor.
Erstaunlich auch, mit welcher Finesse die Speedies immer wieder fulminant melodiöse Gitarrensoli in ihren neun Songs plaziert haben. Was vorher noch nach Kraftanstrengung aussah, löst sich schnell in Wohlklang auf. (4) Ein neuer Stern am Himmel des japanischen Hard- bis Heavy Metal. Der Name der Band: E-Z-O: die Besetzung: Masaki (Gesang). Taro (Baß),
Shoyo (Gitarre) und Hiro (Schlagzeug); die Produzenten: Val Garay und Gene Simmons, die Kiss-Zunge und Ziehvater so mancher jüngeren Band. Man denke nur an Keels THE RIGHT 10 ROCK oder zuletzt Black „n Blues NASTY NASTY.
Das Quartett aus Fernost legt auf einem gleichnamigen Debüt-Album (Import) gleich sämtliche Karten auf den Tisch. Da klingen UFO-Anleihen durch, kommen Iron Maiden-typische „Sprung-auf-Marsch-Marsch“ Galopppassagen zum Zuge — und trotzdem spielt die Band dabei ebenso professionell wie originell ihren ureigenen Stil. Mal etwas härter und muskulöser im Zugriff („House Of 1000 Pleasures“), dann wieder kurz, prägnant und kommerziell („Here It Comes“). Ob Hardrock, Heavy Metal oder Heavy Rock — die Newcomer fühlen sich in jedem Sattel zu Hause. (4) Davon muß sie vorerst noch träumen. Denn Anita Chellamahs Gang, The Cherry Bombz aus England, schlägt auch diesmal nicht wie eine Bombe ein. COMING DOWN SLOW (SPV), das Live-Album aus dem Marquee Club zu London, bietet bestenfalls Riff-Rock der amüsanten Sorte.
Wesentlich interessanter ist in dem Zusammenhang das Line up der Backing Band, wo hinter Anitas sexy Stimme so lustige Vögel wie Andy McCoy und Nasty. beide ehemals Hanoi Rocks, sowie Dave Tregunna, früher bei den Lords Of The New Church. und Terry Chimes. einst in den Diensten von Generation X und The Clash. stehen. Trotz dieser ruhmreichen Vergangenheit vermißt man bei dem buntgewürfelten Quintett den alles entscheidenden Kick. (2) Der Gitarren-Altmeister und einstige Hendrix-Epigone, Frank Marino aus Kanada, zaubert wieder das Blaue vom Himmel herunter. Nach JUG-GERNAUT, seinem Über-Album von ’82, war erst einmal Sense. Der Axeman stand auf der Straße, ohne Vertrag und Label dauerte es schließlich bis 1986, ehe er wieder von sich hören ließ und nun sein neuestes Opus FÜLL C1RCLE (SPV) vorlegt. Das Warten hat sich gelohnt, denn Frank und seine Mitstreiter, Bruder Vince an der zweiten Gitarre. Peter Dowse am Baß, Claudio Pesavento an den Keyboards. Jimmy Marcos on drums und Alan Couture gar an der dritten Klampfe, zeigen den Youngstern, was eine alte Haf ke ist.
Jeder Song hat Hand und Fuß. Sei’s nun das schwere, ganz und gar Marino-eigene „Breakin‘ Away“ mit seinen düsteren Licks und plötzlichen Wendungen — oder aber der dreiteilige Titelsong (Länge: 11 Minuten 20). der einer Reise durchs Paradies des gestandenen Heavy- bis Hardrocks gleicht, um nur zwei von insgesamt neun Beispielen zu nennen.
Immer wieder ist es Frank mit seiner säuselnd sonoren Stimme und forschen Gitarre, der für Pfeffer und Furore sorgt. Wer heute musikalische Qualitäten verlangt, kommt an den Marinos nicht vorbei. (5) Bei Michael Schenker ist er einst in die Lehre gegangen und nun flügge geworden. Ex-MSG Sänger Gary Barden ist gemeint. Er und seine Statetrooper, ein Grand mit sechs Buben, landen den Coup des Monats. Ihr gleichnamiges Debüt-Album (SPV) ist eine wahre Ohrenweide und braucht sich selbst vor dem großen Bon Jovi oder Europe nicht zu verstecken. Insgesamt neun Songs, darunter auch eine allerdings überflüssige Live-Version des MSG-Evergreens „Armed And Ready“, sind eine grundsolide Basis für den großen Durchbruch.
„Shape Of Things To Come“ eröffnet den munteren Hardrock-Reigen mit kommerzieller Tendenz, besticht durch eine einfache Hookline, die man — einmal im Lauscher — so schnell nicht vergißt. Und weiter geht’s mit „Set Fire To The Night“. zu Beginn etwas behäbig, doch dann durchweg lebendig. Als nächstes „Dreams Of The Faithful“, so getragen und charmant, wie es sich für einen kommenden Hit gehört, ebenso „Veni, Vidi. Vinci“, ganz pathetisch, aber faszinierend, oder „She Got The Look“, vom Kaliber eines „You Give Love A Bad Name“, um im Bild zu bleiben. Fazit: Statetrooper sind für den großen Erfolg bestens gerüstet. (5) Das kann man von Shy und ihrem dritten Album EXCESS ALL AREAS (RCA) noch nicht behaupten. Trotz namhafter Unterstützung durch Produzent Neil Kernon oder Michael Bolton/Duane Hitchings („Emergency“). Terry Britten ¿ Kristine Holmes („Devil Woman“) und Don Dokken („Break Down The Walls“) als Songwriter bleiben die fünf Engländer den Beweis internationaler Klasse über weite Strekken hin schuldig. Zu auffällig schielt man auf den amerikanischen Heavy Rock Markt und verliert darüber die eigene Linie. (3) Bombastischer Anfang und trauriges Ende. Zwischen diesen Extremen bewegen sich Virgin Steelc mit ihrer Neuesten NOBLE SAVAGE (SPV). Kaum sind die appetitlichen Keyboards verklungen, leiern David De-Feis, Edward Pursino. Joey Ayvazian und Joe .O’Reilly auch schon ihr biederes Heavy Metal Einmaleins herunter. Das ist weder nobel noch wild, sondern einfach nur töricht. (2)
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