Holger Czukay – Peak Of Normal

… on the way to the peak of normal.“ Ausgerechnet Holger Czukay auf dem Wege zum Gipfel des Normalen? Ist das nun a) paradox, b) höhere Philosophie oder c) einfach nur logisch? Wer dergleichen gern mal ausphilosophieren möchte, sollte sich als Grundlage unbedingt unsere Holger Czukay-Story auf den Seiten 14 bis 16 ansehen. Außerdem spare ich mir dann an dieser Stelle, nochmals bei Adam und Eva anzufangen, was Holgers phänomenale Produktionstechniken betrifft…

„A Welcome/Choral of the Majestic/Ballad‘ and „The Males are marching/Out of the fogbank/Into/The final choral of the Majestic/Fragrance“ lesen sich die acht Bilder der „Ode To Perfume“ an einem Stück ebenso wie sich diese Ode an einem sinfonischen Faden über die komplette erste LP-Seite zieht. Die Dramaturgie der verfremdeten Gitarren und der Synthesizer, die melodisch ineinanderfließen, ist präzise durchkomponiert, angenehm und unaufdringlich. Die für Holger mittlerweile unvermeidlichen Waldhorn-Sprenkel fehlen ebensowenig wie Reminiszenzen an den volksnahen Geist einer Hotelbar-Combo. Die Stimme, über den Vocoder in einen flötenden Orgelton verwandelt, verbreitet dieses „Strangers-In-The-Night“-Flair, welches sich da um drei Töne rankt: eine Ausdrucksform, die Czukay übrigens besonders am Herzen liegt Diese erste Seite wirkt oberflächlich betrachtet eher konventionell. Hinter der soliden Fassade verbergen sich jedoch mehr als zwei Jahre raffiniertester Misch-Schneide- und sonstiger Bearbeitungstechnik. Wer dies ergründen will, muß sich Schicht für Schicht in die Tiefe wühlen. Holger selbst empfiehlt diesen Teil zum Rollschuhlaufen unter dem Walkman – einen unbeschwerten Konsum also.

Seite zwei („Peak Of Normal“) setzt jener Zeitlosigkeit dann Aktuelles entgegen. Sie spiegelt das Umfeld der Czukay’schen Aktivitäten nach der Fertigstellung von MOVIES vor zwei Jahren. „On The Way To The Peak Of Normal“: Tonfragmente aus einer relaxten, spontanen Studiosession mit S.Y.P.H. Die Stimmung vermittelt etwas von alter Can-Magie. Die tastende, leise Rhythmik undHolgers Geisterstimme ebnen den Weg für die Vampyretten. Gemeinsam mit Conny Plank vereint er sich hier am „Witches‘ Multiplication Table“ zur Verschwörung der Soundmacher. Mit einem Kurz-Soundtrack umzingeln die beiden ihre Opfer wie zwei verschmitzte Studiogeister, locken sie mit Dub-Reggae und Waldhorn (klar!), um dann um sie herum eine

Höhle aus knisternder Geräuschkulisse zu bauen. Holgers Stimme streicht währenddessen um sie herum – wie beseelt vom Geiste Mephistos.

Nach so viel obskurem Humor dann purer Folkloreswing: „Two Bass Shuffle“, eine Hommage an Les Paul und Mary Ford. „Hiss’n Listen“ hinterläßt zum Ausklang noch einmal vibrierende Spannung. Jah Wobbles dynamischer Baß schlägt ausladende Wellen, Reggae bestimmt die Rhythmik, Stimm!erzen zirkulieren – — all machines ans standing still …

Mensch und Maschine haben sich vorbildlich ergänzt. Holger Czukay: Die Elektronen sind musikalisch.“