Jazzkantine
Geheimrezept
Geschmeidige Crooves, bebende Beats, swingende Bläsersätze, pseudoprotzig-rotzige Raps, die vor Selbstironie und Charme nur so strotzen: Willkommen zum vierten Menü in der Jazzkantine, einer Meisterleistung musikalischer nouvelle cuisine. Wir erinnern uns: 1994 riß das Kollektiv aus jungen Wilden und alten Haudegen auf seinem Debütalbum die Grenzen zwischen HipHop und Jazz nieder, legte mit HEISS & FETTIG im Jahr darauf nochmals nach, sorgte aber mit FRISCH GEPRESST & LIVE (1996) für gelinde Enttäuschung. Doch die ist spätestens jetzt, da GEHEIMREZEPT im Player rotiert, vergessen. 78 Minuten lang köchelt das zwölfköpfige Kantinen-Stammpersonal mit Hilfe von 25 (I) Leiharbeitern aus acht Nationen einen Zaubertrank zusammen, der einem förmlich Flügel verleiht: Da ist das selig swingende „Schmackofatz“, das Ex-James-Brown- und Immer-noch-Van-Morrison-Sideman Pee Wee Ellis mit seinem rasiermesserscharfen Saxophon veredelt, da begegnet dank Wu Tang-Clansman 01′ Dirty Bastard die Bronx Braunschweig („Chaos“), tönt’s, als hätten sich die Herren von Kraftwerk in Gurus JAZZMATAZZ-Projekt eingeklingklangt („Alles nur Chemie“). Das hinreißend komische Duell zwischen Tachi und Signore Rossi in „Krankenhaus“, zu dem der immerhin schon 61jährige Ex-Freejazzer Gunter Hampel stoisch am Vibraphon klöppelt, sorgt für mittleres Zwerchfell-Zucken, während sich in „Kantinental“ Rapper aus Deutschland (Smudo, Tachi, Brixx), der Schweiz (Carlos), Japan (Gaku), Österreich (Hausmasta) und Italien (Signore Rossi) das Mikro in die Hand geben. Die Single „Kein Bock“ – ein veritabler Ohrwurm mit reichlich Chartspotential verklärt den schalen Alltag von frustrierten Versagern wie dir, mir und ihm mittels sacharinsüßer Tagträume zum sonnigen Malibu-Macholand („Pamela Anderson bringt gleich zu mir ihr Bett mit, und ich hab genausoviel Erfolg bei Frauen wie Brad Pitt“), zwinkerzwinker. GEHEIMREZEPT, das ist Spaß ohne Reue für alle, von der „Weissu, is‘ echt kraß“ – bis zur „Hab’s gern seriös“-Generation. Wer bei dieser Jazzkantine nicht Stammgast wird, sollte seine Ohren abgeben. Yo.