Joe Maneri/Barre Phillips/Mat Maneri – Angels Of Repose

Jazzland ist schon ein seltsamer Ort – seine einsamen Bewohner sind weitgehend immun gegen äußere und innere Widerstände – und damit auch gegen den Fortschritt. Die letzte nennenswerte Revolution fand vor mehr als 40 Jahren statt von deren Folgen sich die Traditionalisten bis heute nicht erholt haben. Aber es sind die kleinen, stillen, unspektakulären Revolutionäre, deren Werk jahrzehntelang nachwirkt – Jimmy Giuffre, der Anfang der sechziger Jahre im Trio mit Pianist Paul Bley und Bassist Steve Swallow eine mikrotonale Kammermusik entwickelte,- oder die europäischen Improvisatoren, deren erste zaghafte Versuche Ende der sechziger Jahre im kreischenden Nachhall des „New Thing“ untergingen – das sind die Außenseiter innerhalb einer Außenseitermusik. Joe Maneri ist ein wahrer Außenseiter. Nicht nur, weil er sein Schallplattendebüt im Jahr 1989 im nicht mehr ganz so zarten Alter von 62 Jahren gegeben hat. Seither veröffentlicht Maneri Iangels of repose ist sein fünftes ECM-Album in neun Jahren) eine Musik, die die Traditionalisten nachhaltig verstören müsste – wenn sie ihr nur zuhören würden, angels of repose ist der vorläufige Höhepunkt in einem kammermusikalischen Gesamtwerk, das europäische Kunstmusik des 20. Jahrhunderts mit der freien Improvisation vereinigt – mit einer Leidenschaft und einer Abenteuerlust, die erstaunen muss, bei einem Ensemble mit dem Durchschnittsalter von 60 Jahren. Auf seine (ganz) alten Tage wird Maneris Ton aggressiver, hinterlistiger, die Figuren, die er auf dem Alt- und dem Tenorsaxofon malt, verschlungener. Es herrscht ein Höchstmaß an Interaktion und Kommunikation mit den Mitmusikern, die Joe Maneris Vortagen dankbar aufnehmen und weitergeben. Auf angels of repose kommen drei unterschiedliche Schulen zusammen, Joe Maneri, der alte Zauberer, der jenseits jeglicher Traditionen zu Hause ist, Barre Phillips (Bass), dem nichts fremd ist in der Welt des Jazz, weil er im Lauf der vergangenen 40 Jahre mit Gott und der Welt gespielt hat, und Maneri Junior (viola), der irgendwann einmal vielleicht das fortsetzen wird, was hier begonnen wird.